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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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weil du eine so große Reise in der Absicht unternähmest, mir einen gewünschten Gegenstand zubringen; du kannst aufbrechen, ich halte dich nicht mehr; morgen wirst du an meinem Palasttore eines meiner Pferde zu deiner Bequemlichkeit finden, ich mache es dir zum Geschenk, ebenso auch einen Sklaven, welcher bis zu deinem Hause zwei mit Gold und Edelsteinen beladene Kamele leiten wird; die Schätze aber darfst du dir selbst aus meinen Vorräten aussuchen.‹ Abdallah sagte ihm alles, was ein zur Habgier neigendes Herz aussprechen kann, wenn man seine Neigung befriedigt, und legte sich schlafen, indem er den Morgen des für seine Abreise bestimmten Tages erwartete.
    Während der Nacht war er in beständiger Aufregung und konnte an nichts anderes als nur an den Leuchter und seinen Zauber denken. ›Ich habe ihn so lange in meinen Händen gehabt‹, sprach er zu sich selbst; ›niemals hätte ihn Abunadar ohne mich in Besitz bekommen. Welcher Gefahr war ich nicht in der Höhle ausgesetzt? Warum gehört ihm heute dieser Schatz der Schätze? Weil ich so gut oder vielmehr so töricht war, ihm den zu bringen, er hat den Nutzen von meinen Mühen und den Gefahren, in die ich auf einer so weiten Reise geraten konnte. Ach, was gibt er mir zum Lohne? Zwei elende Kamele, die mit Gold und Juwelen beladen sind; auf einen Hieb könnte mir der Leuchter zehnmal mehr einbringen. Abunadar ist undankbar,‹ sprach er, ›welches Unrecht tue ich ihm, wenn ich den Leuchter an mich nehme? Wahrlich keins. Denn er ist reich, und was besitze ich?‹ Solche Gedanken bestimmten ihn schließlich, alles daranzugeben, um sich in den Besitz des Leuchters zu setzen; das war freilich nicht schwierig, denn Abunadar hatte ihm die Schlüssel seiner Speicher anvertraut. Er wußte, wo der Leuchter stand, und begab sich dorthin, verbarg ihn auf dem Boden eines Sacks, den er mit Geschmeiden, Gold und andern Kostbarkeiten füllte, die mitzunehmen man ihm erlaubt hatte, und ließ ihn wie alles andere auf seine Kamele laden. Er hatte keinen andern Gedanken, als fortzukommen; nachdem er sich schnell von dem edelmütigen Abunadar verabschiedet hatte, gab er ihm seine Schlüssel zurück und ritt auf seinem Pferde, begleitet von seinem Sklaven und den beiden Kamelen, fort.
    Als er nach einigen Tagen in Bassorah eintraf, verkaufte er seinen Sklaven, da er keinen Zeugen seiner früheren Armut und der Quelle seines Reichtums haben wollte, und handelte dafür einen andern ein und begab sich ohne Aufsehn zu seiner Mutter, die er kaum beachten wollte, so sehr war er mit seinen Schätzen beschäftigt. Seine erste Sorge war, seine Kamele von ihrer Last befreien zu lassen und den Leuchter in dem verstecktesten Räume des Hauses aufzustellen; und in der Ungeduld, die ihn beherrschte, vor seinen Augen einen gediegenen Reichtum aufgespeichert zu sehen, steckte er Kerzen auf den Leuchter; die zwölf Derwische erschienen; er gab jedem mit aller Kraft einen Stockhieb, um ja den Bedingungen des Talismans aufs genaueste nachzukommen; aber er hatte nicht darauf geachtet, daß Abunadar beim Schlagen den Stock in der linken Hand gehalten hatte. Abdallah bediente sich infolge natürlicher Angewohnheit seiner rechten; und die Derwische, anstatt sich in Reichtümer aufzulösen, zogen alsbald aus ihren Gewändern jeder einen furchtbaren Stock, mit dem sie so lange und so heftig auf ihn einhieben, bis sie ihn beinahe totgeschlagen hatten, dann verschwanden sie, indem sie die Lasten der Kamele, die Kamele, den Sklaven und den Leuchter mit sich nahmen.
    So, o Gebieter, wurde Abdallah mit Armut, ja beinahe mit dem Tode für seine unersättliche Habsucht bestraft, die vielleicht entschuldbar wäre, wenn er sie nicht mit einer Undankbarkeit gepaart hätte, die ebenso verdammenswert wie verwegen war, zumal er ja nicht imstande gewesen war, seine Treulosigkeit vor den allzu klarsehenden Augen seines Wohltäters zu verbergen!‹
    Naur schien von dieser Geschichte befriedigt zu sein und sagte zu Abukazir, daß sie ihm um so mehr Vergnügen gemacht hätte, als sie ein Beispiel der gerechten Bestrafung des schwärzesten aller Laster aufstellte, das den Menschen nur allzu gemeinsam wäre und für welches es niemals eine Entschuldigung gäbe.
    Fatme war zu sehr von dieser Geschichte gefesselt, als daß sie ihre Meinung verschwiegen hätte. Sie hatte sich unter dem Sinnbilde des Schatzes wiedererkannt, dessen Besitz nur zu erwünscht sein kann; sie zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie in Abukazirs

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