Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
nicht so glücklich, unsere Gestalt zu haben; und ihre ist nicht, bei weitem nicht so schön. Das ist wahr,‹ fuhr sie fort, ›aber sie hat Flügel. Ach, wenn ich auch welche hätte, würde ich bald an seiner Seite sein und mich niemals von ihm trennen!‹ Nach solchen süßen Gedanken sagte sie: ›Kannst du kein Mittel ausfindig machen, um in das Nest zu steigen? Wir würden uns dann weniger mühelos unterhalten können!‹
›Weh, ich vermag es nicht‹, erwiderte ihr der Fürst. ›Hätte ich wohl, wenn es möglich wäre, gewartet, bis du mir den Vorschlag gemacht? Hätte ich mich dann auffordern lassen?‹
›Da ich im Zweifel bin,‹ entgegnete die Prinzessin, ›ob es meine Mutter für recht hält, daß du bei mir bist, habe ich ein Mittel gefunden, dich ohne ihr Wissen zu sehn.‹
›Du siehst, o Gebieter,‹ sprach Fatme, indem sie sich unterbrach und Abukazir mit einem heißen Blicke ansah, um ihn zu jedem Unternehmen anzufeuern, ›du siehst,‹ sagte sie, ›welches Gefühl die ganz naturgemäß beherrscht, welche die Welt am wenigsten gebildet hat. Der Prinz‹, nahm Fatme wieder die Erzählung auf, ›fragte die Prinzessin, welches Mittel sie ausgesonnen habe.
›Es gibt keines,‹ fügte er hinzu, ›das ich nicht anwenden würde, um dich zu sehen und anzubeten!‹
›Ich merke mit Entzücken,‹ erwiderte sie, ›daß deine Gefühle meinen so gänzlich gleichen. Betrachte den Körper des Kamels, das du wenige Schritte von dir siehst,‹ fuhr sie fort, ›es ist eben gestorben. Die Sonne wird es bald ausdörren, du sollst es mit allen wohlriechenden Kräutern, die du in der Nähe stehen siehst, bekränzen und dich dann in seinem Bauche verbergen, auf daß man dich nicht sehen kann; und ich will dann meine Mutter bitten, daß sie es mir heraufholt, um seinen Bau zu prüfen; sie wird es mir nicht abschlagen; und morgen mittag soll uns ihre Abreise alle Freiheit gewähren, die wir uns nur wünschen können.‹ Alles geschah, wie sie es geplant hatte; und als der Prinz im Neste war, hinderte sie niemand daran, sich die Zeit auf das glücklichste zu vertreiben. Wenn die Mutter ins Nest zurückkehrte, erblickten sie sie gewöhnlich von weitem, und der Prinz kehrte alsobald in sein Kamel zurück, um erst nach ihrer Abreise wieder hervorzukommen. Währenddem wurde die Prinzessin schwanger; und als es so weit war, daß sie gebären mußte, befahl Gott nun dem Engel Gabriel, Sulaiman davon in Kenntnis zu setzen. Der ließ alsobald Vogel Greif kommen und fragte ihn, ob er die Ehe des Morgenlandkönigs mit der Tochter des Königs vom Abendlande verhindert habe. ›Zweifelsohne,‹ antwortete er ihm, ›die Prinzessin ist seit langem in meiner Gewalt; ich kenne niemanden, der sich ihr genähert hat; sie ist in meinem Neste auf dem Gebirge von Kaf; solches genügt, um dir zu versichern, daß sie niemand außer mir gesehen hat!‹
›Hole sie mir sofort,‹ antwortete ihm der König, ›ich will sie sehen und mich selber überzeugen, ob du mir darin nicht die Unwahrheit sagst!‹ Vogel Greif willigte mit Freuden ein; und Sulaiman gab, um ganz sicher zu gehen, nicht betrogen zu werden, zweien andern großen Vögeln Befehl, ihn zu begleiten, um hernach Rechenschaft über sein Benehmen abzulegen.
Die Vögel aber flogen davon, und Sulaiman ließ einen Diwan versammeln, welcher aus fast allen Gesetzeskundigen und seinem ganzen Hofe bestand, damit sie Zeugen wären von allem, was sich zutragen könnte. Die junge Prinzessin hörte glücklicherweise das Geräusch, welches die Vögel im Fluge machten, und war sehr erstaunt darüber; denn niemals war ihre Mutter zu einer solchen Stunde heimgekommen. Und sie hatte kaum Zeit, den Prinzen, der sich mit ihr unterhielt, zum Verstecken aufzufordern, und ihn schnell in dem Kamele zu verbergen. Ohne sich indessen etwas von dem Schrecken, den sie bekommen hatte, merken zu lassen, ließ sie es sich doch nicht nehmen, ihrer Mutter einige Verwunderung, die ihre Rückkehr in ihr erweckte, und über die Ankunft der beiden Vögel, welche sie begleiteten, kundzutun. ›Oh, meine Tochter, Sulaiman will dich sehen,‹ erwiderte ihr Vogel Greif, ›wir müssen augenblicklich aufbrechen: ich komme nur, um dich zu holen und an seinen Hof zu bringen!‹ Die Prinzessin war erstaunt, jedoch mehr noch um ihren Geliebten besorgt, den sie nicht verlassen wollte; trotzdem verlor sie ihre Fassung nicht und sagte zum Vogel Greif:
›Wie hast du beschlossen, mich hinzubringen, o liebe
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