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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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weiße Fahne gehißt und die Nacht, die Königin der Sterne, sich verkrochen hatte, stieg der König auf seinen Thron; und streng gegen sich selbst, wie er es gegen andere war, wollte er trotz der Verwirrung seiner Seele der Pflicht nachkommen, die er sich auferlegt hatte; und er ließ nach seiner Gewohnheit verkündigen, daß alle seine Untertanen ihr Recht vor ihm suchen könnten. Und in Wahrheit fühlten alle, die ihre Zuflucht zu ihm nahmen, wenn sie auch kein Unrecht erlitten, durch die Härte seiner Urteile doch den Zorn, der ihn in diesem Augenblicke gegen die gesamte Menschheit beseelte. Der Eifersüchtige scheidet sich von der Menschengattung ab, und bei dem Gerichte, das er beruft, sieht er alle andern wie so viele Feinde an; wenn der Rausch der Leidenschaften verflogen ist, bleiben in der Seele nur sanfte Gefühle zurück, die Duldsamkeit denen gegenüber bewirken, die den Fehlern verfallen sind, von denen man geheilt ist. Naur dagegen war weit entfernt von dieser glücklichen Ruhe, die philosophisch stimmt, den Menschen solche Umstände allein meistern läßt und ihn bewegt, die Beleidiger zu verachten.
    Als Naur die wahre Pflicht der Könige erfüllt hatte, indem er selbst Gerechtigkeit übte, blieb er mit seinem Wesire allein, den er seit langem als seinen Freund schätzte. Mehr als einmal bestimmte ihn die Klugheit, seinem Minister nichts zu sagen und bei der Wahl seiner Rache nur auf sich selbst zu hören. Doch konnte er seinen Zorn nicht mehr allein tragen, vielleicht suchte er einigen Trost für sich bei dem Geständnisse seines Schmerzes; und da seine Eifersucht ihm um so mehr Qual verursachte, als sie ihn bedrückt hatte, so vertraute er seinem Wesire alles bis aufs kleinste an, was ihm zugestoßen war, und fragte ihn am Schlusse um seinen Rat. Der Wesir aber riet ihm, ohne zu überlegen, Abukazir und Fatme töten zu lassen. Nur noch über die Art im unklaren, in der man der beschlossenen Rache genugtun sollte, kamen sie endlich überein, daß man ihnen folgenden Tages einen Gifttrank reichen wollte.
    Naur glaubte, eine gerechte Handlung auszuführen, und mußte sich zwingen, seine Rache bis dahin aufzuschieben; aber es bedurfte der Zeit, um solch grausamen Trank zu mischen, auch mußte man eine Gelegenheit ersinnen, ihnen diesen ohne Aufsehen zu geben, zumal der König, einzig und allein, um seine Schande und seine Schmach zu verbergen, dem Gerede entgehen wollte; so wurde er denn dadurch gezwungen, allem beizustimmen. Und sie versprachen sich ewiges Schweigen, um die Fürstenehre zu wahren; wenn Geheimnisse solcher Art ausgesprengt werden, vermehren sie die Reue, die das Verbrechen allein bewirken darf.
    Der Wesir verließ Naur und kehrte in seine Wohnung zurück; seine erste Sorge war, seine einzige Tochter aufzusuchen, die er fast wahnsinnig liebte; die Trauer, die er auf ihrem Gesichte las, betrübte ihn, und Besorgnis erfüllte sein Herz. Er wollte die Ursache ihres Kummers wissen; alsbald erzählte sie ihm, daß sie den Harem des Königs verlassen wollte, dieweil Fatme sie, noch dazu im Beisein sämtlicher anderer Frauen, verächtlich behandelt habe. Der für seine Tochter erregte Wesir ließ sich durch die blinde Freundschaft, deren Taten oft ebenso gefährlich sind wie die der grimmigen Feindschaft, verleiten; er vergaß, welche Wichtigkeit er dem Geheimnisse, das ihm sein Gebieter anvertraut hatte, beimessen mußte, und sprach zu ihr: ›Tröste dich, o meine Tochter, die Rose ihres Lebens wird bald entblättern und Fatmes Name unverzüglich aus der Liste der Lebenden gestrichen werden.‹ Die Neugierde seiner Tochter wurde nur heftiger angeregt durch eine so haltlose Rede, die ihr unverständlich sein mußte und sie nötigte, mehrere Fragen an ihren Vater zu stellen und ihn zu beschwören, sie aufzuklären und zu unterrichten.
    ›Darf man ein Geheimnis, das einem anvertraut ist, bei sich behalten,‹ sprach sie zu ihm, ›noch dazu ein Geheimnis, das die Ehre und das Leben eines so geliebten Vaters angeht?‹ Mit einem Wort, sie setzte ihm so gut zu, daß ihr der Wesir nicht allein alle Vorgänge mitteilte, sondern sie auch um die Rache wissen ließ, die der König auszuüben beschlossen hatte. Die Wesirstochter war vor Freude außer sich; denn die Rache ist das lebhafteste Gefühl aller gewöhnlichen Frauen, sie dankte ihrem Vater tausendmal, indem sie gleichzeitig versprach, ein für ihre eigene Genugtuung so wichtiges Geheimnis stets treu bewahren zu wollen. Ihr Vater ging von ihr,

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