Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
Mutter?‹
    ›Ich will dich auf meinem Rücken tragen‹, gab ihr Vogel Greif zur Antwort.
    ›Aber beim Überfliegen so vieler Meere und Gebirge‹, sagte sie dawider, ›wird mir zweifellos schwindlig werden; der Anblick all der verschiedenen Dinge und die Schnelligkeit, mit der du fliegst, werden mich sicherlich stürzen lassen; mein Tod ist mir gewiß; so zu reisen kann ich mich nicht entschließen. Setze mich vielmehr in den Bauch dieses Kameles,‹ fügte sie hinzu, ›ich will mich darin einschließen und werde nichts sehen, folglich auch in keine Gefahr kommen!‹ Vogel Greif hieß solchen Plan gut und wußte seiner Tochter für diesen Einfall und den Verstand, den sie gezeigt hatte, Dank; die Prinzessin aber setzte sich ins Kamel, wo der Prinz mit einer äußersten Unruhe das Ende einer für seine Liebste und sich so wichtigen Unterhaltung erwartete; und die Geschichte versichert, daß die Prinzessin auf dem Wege eines Sohnes genas.
    Als die Vögel vor Sulaiman angekommen waren, der sie inmitten seines Diwans erwartete, hieß er Vogel Greif, selbst das Kamel zu öffnen. Er tat es; aber wie groß war sein Erstaunen, als er in ihm Prinz und Prinzessin erblickte, die ihren Sohn im Arme hielt. ›Trotzest du so‹, sprach Sulaiman zu ihm, ›dem Willen Gottes?‹ Die Scham und der Schmerz und das unmäßige Gelächter des ganzen Diwans bereiteten Vogel Greif schrecklichen Ingrimm; er flog auf, und seit dieser Zeit verläßt er das Gebirge von Kaf nicht mehr. Sulaiman fragte, wo die Nachteule wäre, die Vogel Greifs Plan und Unterfangen gebilligt hatte. Doch sie war verständig genug gewesen, sich zu entfernen; und seitdem haust sie nur noch in entlegenen Gegenden und kommt nur des Nachts hervor.
    Du stimmst mit mir überein, o Herr,‹ fuhr Eatme fort, indem sie sich an den König wandte, dabei aber Abukazir mit Augen ansah, in die sie in diesem Augenblicke ihre ganze Seele legte und die ihm sagten: benutze meine Lehre. Diesen Blick begleitete ein Lächeln, das die Luft mit Honig und Zucker erfüllte. Abukazir seinerseits warf ihr so feurige Blicke zu, die all sein Wünschen zu verkünden schienen, daß Fatme zu zittern anfing; doch ihre durch Zärtlichkeit und Entzücken halb geschlossenen Augen waren indessen noch offen genug, um sich Verstehen zu verschaffen und in sein Herz zu dringen: all diese Dinge, die so schwierig auszudrücken und so langwierig zu beschreiben sind, künden das Aufflammen der Liebe.
    Naur begriff ihre ganze Gewalt; doch wußte er die Eifersuchtsbewegungen zu dämpfen; ohne Fatme, dem Scheine nach ruhig, zu unterbrechen, so überzeugt, wie er war, hörte er an, was sie nun sagte: ›Du stimmst doch zu, o Gebieter, daß zweien, die sich herzlich liebhaben, nichts unmöglich ist?‹ Abukazir sah die Aufregung, die in des Königs Augen aufstieg, die Mühe, die er sich gab, um sie zu bezwingen; und er wollte reden, dieweil er seinen Gedanken eine andere Wendung zu geben beabsichtigte:
    ›Erlaube mir, o Gebieter, daß ich nicht zugebe, was Fatme da eben sagt!‹
    ›Folge mir‹, sprach Naur mit kalter Miene und ging fort, ohne Fatme anzusehen, die Fatme, der er sonst immer so viele Dinge zu sagen hatte.
    Gefühle, die man länger verbirgt, werden nur um so lebhafter; es scheint, daß Worte sie verfliegen lassen und vermindern. Obwohl Naur nichts hatte verlauten lassen, stand sein Entschluß doch fest: seinen Handel mit der Treulosen zu brechen und sich ob ihrer Untreue zu rächen. Der Zwang, den er sich für einen Augenblick auferlegte, hatte keine andere Begründung als in der Scham, sich eifersüchtig zu zeigen.
    Sowie Naur in sein Gemach zurückgekehrt war, überließ er sich allen Stürmen und aller Qual der Eifersucht. Das entschwundene Vertrauen, der Verlust dessen, was man noch wider seinen Willen liebt und man nun auf einmal haßt, die Pläne der Rache und der Verzeihung, endlich die Schwäche, die man sich vorwirft, quälten den König, den ein Nu unglücklich gemacht hatte, ihn, den man einige Augenblicke vorher als den glücklichsten Menschen auf der Erde bezeichnen konnte.
    Um indessen nicht voreilig zu handeln, sondern die Klugheit, die ihm eigen war, anzuwenden, wollte er seinen Wesir über die Art der Bestrafung, welche die Schuldigen treffen mußte, um Rat fragen. Seine durch Fatmes Vorgehen gedemütigte Eigenliebe wollte sich zum mindesten dadurch Linderung verschaffen, daß sie eine Geduld in Anwendung brachte, deren Ausübung ihm schwierig erschien.
    Sowie die Sonne ihre

Weitere Kostenlose Bücher