Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
nur an die Freude denkend, sie so besänftigt zurückzulassen, und ließ die Angelegenheiten in Ordnung bringen, die ihm sein Amt auferlegten. Und er war kaum von ihr weggegangen, als Fatme, die selbst über das Benehmen betroffen war, dem sie mit ihrem verliebten Kopfe die Wesirstochter ausgesetzt hatte, einen Hauptmann des Innern des Palastes sandte und ihr Entschuldigungen über den Vorgang sagen ließ. Die Höflichkeitsbezeigung war noch nicht ganz ausgesprochen, als die ihn unterbrach, indem sie sagte: ›Jedermann wird mir bezeugen, daß sich die Verachtung, mit der ich behandelt wurde, nicht gutmachen läßt, und daß Fatme Bestrafung verdient; gleichwohl denke ich nur wenig daran, weil sie sich bald nicht mehr rühmen kann, sich so hart gegen mich vergangen zu haben; ihr Tod wird mich völlig rächen!‹ Der Palasthauptmann schien nun von dieser Nachricht entzückt zu sein und sprach zu ihr:
›Wie sehr freut mich deine Rede! Mein Herz zittert vor Freude bei der Hoffnung, die du ihm machst. Wann werden wir so glücklich sein, den König eines so festen Entschlusses fähig zu sehn? Aber er steht doch zu sehr in Fatmes Banne‹, fügte er hinzu.
›Wenn du ein Geheimnis zu wahren vermagst‹, entgegnete die Wesirstochter, ›will ich dir die Einzelheiten eines Vorgangs erzählen, von dessen Mitteilung ich mich noch nicht erholt habe, so sehr hat sie mich überrascht.‹ Der Hauptmann versprach ihr mehr, als sie verlangte; und bald hatte sie ihm ihr Herz ausgeschüttet. Nicht sobald war dieser davon unterrichtet, als er zu Fatme eilte und ihr erzählte, was er eben gehört hatte; seine Anhänglichkeit an diese, die Verpflichtungen, die er ihr gegenüber hatte, und die Freundschaft, die ihn seit langem mit Abukazir verband, bestimmten ihn, keinen Augenblick zu verlieren, um ihn hiervon zu benachrichtigen und einen Wortbruch zu begehen.
Wie anders würde sich das Leben an Höfen gestalten, wenn Falsch und Mangel an Verschwiegenheit nur dazu dienten, seinen Freunden gefällig zu sein!
Fatme war sehr überrascht, als sie diese grausame Neuigkeit vernahm; und sie würde wie alle Liebenden geschworen haben, daß sie sich Zwang angelegt und daß der König auch nichts hätte merken können. Aber die Nachricht war so zuverlässig und eingehend, daß sie, nur noch das Unglück, das sie bedrohte, sehend, mit solcher Überzeugung und Lebhaftigkeit auf den Palasthauptmann einsprach, bis sie ihn überredete, Abukazir in ihr Gemach zu bringen. Er kam als Sklave verkleidet dorthin; ihre Unterhaltung währte lange und war eingehend. Wo kommt die Liebe nicht zum Ziele, die im Bangen um die Tage dessen ist, was man liebt? Diese selbe Liebe schien ihr Vorhaben zu erleichtern; sie zettelten geschickt eine Verschwörung unter den Mißgestimmten an, die sich in jedem, selbst in dem am gerechtesten geleiteten Reiche antreffen lassen. Abukazir und Fatme vereinigten also ihre mißgestimmten Freunde; und in derselben Nacht wurde Naur und sein Wesir, die durchaus nicht auf ihrer Hut waren, unbarmherzig gemeuchelt.«– –
»Das ist wohlgetan,« sprach Hudschadsch, »er hätte wohl auch ohne Vorsatz und ohne seinen Wesir um Rat zu fragen, so klug sein können. Die so begierig nach unnützen Ratschlägen sind, fragen niemals danach, wenn sie sie am nötigsten haben!«
»Es ist wahr, o Herr,« antwortete Moradbak, »doch wenn übermäßige Vorsicht ein Fehler ist, so sind die Gefahren, die von einem pflichtvergessenen Weibe drohen, noch beträchtlicher!«
»Sie sind nicht alle so wie du«, versetzte Hudschadsch mit einer so milden Miene, wie man sie seit zwanzig Jahren nicht an ihm gesehen hatte; »auch unsere Väter haben es für sehr gut befunden,« fuhr er fort, »daß man sie nur zu sehr gefangenhalten und einsperren müsse. Es ist genug für heute,« sprach er weiter, »geht alle und ruht euch aus, und stellt euch morgen pünktlich zur gewohnten Stunde ein!«
»Das wollen wir tun, o Herr,« erwiderte Moradbak, »und ich werde das Vergnügen haben, dir eine mogolische Geschichte zu erzählen!«
»Das Land tut nichts zur Sache«, sagte er ihr noch.
»Ich hoffe,« fuhr Fiteads schöne Tochter fort, indem sie sich mit einem bescheidenen Lächeln zurückzog, »daß sie deine Erhabenheit unterhalten wird!«
Folgende Geschichte aber erzählte Moradbak am nächsten Tage:
Die Geschichte von Nurdschehan und Damake oder Die vier Talismane
Als Abu-ali Nabul, Kaiser der Mogolen, seines hohen Alters gedachte, sah er leicht ein, daß er
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