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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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verteilte den Schatz unter seine Krieger. Dann ließ er einen Schneider rufen, der die Stoffe zu Kleidern verarbeiten sollte, mit denen er die verdienstvollen Hauptleute belohnen wollte, die unter seiner Oberaufsicht standen. Man führte ihm den geschicktesten Schneider der Stadt vor, der den letzten Statthalter bedient hatte. Zu ihm sprach Imadil Deule: ›Nicht nur gut bezahlt sollst du werden, wenn du diese Kleider mit Sorgfalt herstellst, sondern ich will dir noch eine Belohnung und Kassonade (welches eine Art Scherbett mit Gerstenzucker ist) geben!‹ Der Schneider war taub auf einem Ohr und verstand, daß er ihm die Bastonade geben lassen wollte, fing an zu weinen und redete sich noch ein, daß man Rechenschaft über die Kleider des alten Statthalters, die er in Verwahrsam hatte, von ihm verlangte; so erklärte er denn, er habe ihrer nur fünf Laden voll, und die, so ihn anklagten, daß er ihrer noch mehr habe, hätten nicht die Wahrheit gesprochen. Imadil Deule konnte sich nicht eines Lachens über die Wirkung enthalten, die die Furcht bei dem armen Schneider hervorgebracht hatte, und ließ sich diese Kleider bringen, die er alle köstlich und neu fand. Sie dienten ihm mit den Stoffen aus den Wandschränken dazu, allen Hauptleuten seines Heeres Kleider zu geben. Ich glaube nun, daß ein so uneigennütziger Mann wahrlich das Vertrauen deiner Erhabenheit verdient!‹ Nachdem Aburazi mit Sprechen aufgehört hatte, sagte Nurdschehan zu ihm:
    ›Imadil Deule wird nicht mein Wesir werden; ich achte ihn als einen ehrenwerten Mann, doch ist er nicht weise genug; und ich halte ihn nicht für befähigt, meiner Macht Geltung zu verschaffen; er führte das Siegel des Reiches und hat es nicht verstanden, alles für seinen Zug Notwendige vorher zu überschlagen und anzuordnen; mit einem Worte: es fehlte ihm an Geld, und die Krieger haben ihm Befehle gegeben. Was würde ohne den Zufall mit der Schlange, den jeder andere hätte ausnutzen können, geschehen sein? Und der Schneider ist hier nur eine nutzlose Erzählung!‹ Nurdschehan fuhr fort, sich mit seinen Hofleuten zu unterhalten, welche ihm oft zu allgemeine Ratschläge erteilten, die keine Erwähnung verdienen. Doch immer sich der Gerechtigkeit und des Wunsches befleißigend, ein guter Herrscher zu sein, ging er oft zu jeder Tageszeit aus seinem Palaste, um sich selbst von der Wahrheit zu überzeugen. Es gab da einen alten Töpfer, der nahe bei seinem Palaste wohnte. Nurdschehan war gerührt, ihn tagtäglich mit ehrfurchtsvoller Inbrunst beten zu sehen; er blieb eines Tages vor dem kleinen Hause, das er bewohnte, stehen und sprach zu ihm: ›Erbitte dir von mir, was du dir wünschen magst, ich will es dir gewähren!‹ Der Töpfer sprach zu ihm:
    ›Befiehl allen deinen Hauptleuten, daß jeder einen Topf von mir kaufen und mir das dafür bezahlen soll, was ich verlange; ich werde diese Bewilligung nicht mißbrauchen, um so mehr, als ich von jedem Käufer verlangen will, daß er den Topf bewahren und ihn für deine Dienste verwenden soll!‹ Nurdschehan gewährte ihm seine Bitte und gab seiner Wache Befehl, über die Ausführung des Kaufes und Verkaufes der Töpfe zu wachen, und dann auch alles, was ihr der Töpfer auftrüge, zu tun. Der aber zog einen bescheidenen Nutzen aus der Gnade, die ihm gewährt worden war, und zufrieden, seine Ware zu verkaufen, forderte er, gar zu glücklich in der Beschäftigung mit seinem Gewerbe, nur ihren wahren Wert, und wartete darauf, daß er sich seinem Herrscher dankbar bezeigen könnte. Nurdschehans Wesir war geizig, aber aus Furcht, seinem Herrn zu mißfallen, verbarg er dieses Laster mit äußerster Sorgfalt. Er ging eines Tages zum Empfang des Kaisers, als ihn der Töpfer um einen Dinar für den Topf bat, den er ihm darbot. Der Wesir verweigerte ihn ihm und sagte, daß er sich beschweren wolle, weil er solch eine Summe für einen Gegenstand fordere, den die kleinste Münze hinreichend bezahle. Als nun der Töpfer sah, daß er seiner Weigerung noch eine Drohung zufügte, antwortete er ihm, daß er tausend Golddinare für seinen Topf haben wolle, weil er einen solchen Ton gegen ihn anschlage, und fügte hinzu, daß er nicht zum Kaiser hineingehen solle, wenn er den Topf nicht um den Hals hinge und ihn selbst auf seinem Rücken zum Empfange des Kaisers bringe, auf daß er über seine Weigerung und die Drohungen, die er gegen ihn ausgestoßen habe, Klage führen könne. Der Wesir machte viele Schwierigkeiten und Einwendungen, um den

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