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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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ebenso ärgerlichen wie demütigenden Bedingungen zu entgehen; aber die Stunde, in der er vor den Kaiser treten mußte, war da, und die Wache wollte ihn nicht hineinlassen, wenn er nicht dem Willen des Töpfers genugtäte, und er wurde so gezwungen, sich zu unterwerfen, tausend Golddinare zu versprechen, den Topf an seinen Hals zu hängen und, was mehr war, den Töpfer auf seinen Rücken zu nehmen; eine Bedingung, von welcher der durchaus nicht zurücktreten wollte. Der Kaiser war überrascht, als er seinen Wesir in einer so lächerlichen Weise ankommen sah, die wenig zu seiner Würde stimmte, und begehrte zu wissen, was vorgefallen war. Als er davon in Kenntnis gesetzt war, gebot er dem Wesire, zur selbigen Stunde die tausend Golddinare zu zahlen; und da er einsah, von welcher Wichtigkeit es für einen Fürsten ist, keinen habsüchtigen Minister zu haben, entsetzte er ihn sofort seines Amtes und wußte dem Töpfer vielen Dank, ihn über eine Sache aufgeklärt zu haben, die er ohne sein Zutun vielleicht noch lange nicht erfahren hätte.
    Nurdschehan berief einen Staatsrat, der sich aus den ehrenwertesten Männern seines Reiches zusammensetzte, schrieb weise und kluge Gesetze und besichtigte seine Länder in der Absicht, seine Völker vor einer Gewalt zu schützen, die stets gefährlich ist, wenn die, so sie ausüben, allzu fern vom Herrscher sind. Der mit allen Tugenden begabte Fürst hatte kein anderes Ziel im Auge, als nach seinem Tode die schöne Grabschrift des Perserkönigs zu verdienen, auf dessen Grabe man ganz einfach liest:
    Wie schade ist es um Schajehuha.
    Nurdschehan reiste durch die Provinzen seines Landes und hatte schon ihren größten Teil besucht und zahllose Verwirrung entknotet, als ihn die Neugierde antrieb, eine Reise zu den Tataren, seinen Nachbarn, zu unternehmen. Da er sich nahe bei ihrem Reiche aufhielt, hatte er Lust, jene Tataren zu sehen und kennenzulernen, die gesitteter als die anderen sind; denn sie haben Städte und feste Wohnsitze; und mehr noch, ihre Frauen leben nicht so abgeschlossen wie die der andern Völker Asiens. Als die Tataren nun die Ankunft des Kaisers von Mogolistan erfahren hatten, kamen sie vor ihn; die einen veranstalteten Pferderennen ihm zu Ehren, andere führten Tänze mit ihren Frauen auf, die, wennschon ein wenig ungezügelt, indessen doch reizvoll, hauptsächlich aber kühn und wild waren. Unter den zahlreichen Frauen Tatariens, die sich vor ihm zeigten, fiel Nurdschehan die Schönheit eines jungen Wesens von fünfzehn Jahren auf, die sich Damake oder ›Herzensfreude‹ nannte. Sie vereinigte Wuchs und Schönheit, geistvolle Züge und Bescheidenheit in sich; Nurdschehan huldigte so vielen Heizen und ließ ihr einen Platz in seinem Harem antragen, doch sie wies ihn ab; er wollte sie durch beträchtliche Geschenke verlocken, seine Anerbietungen aber wurden nicht einmal angehört. Die Liebe verursacht oft den größten Wechsel in der Sinnesart. Unser bis dahin so weiser und maßvoller Fürst wollte sie, durch seine Leidenschaft angetrieben, durch Drohungen dazu zwingen, und ging sogar so weit, zu sagen, er wolle mit einem furchtbaren Heere einfallen, um seine Schöne zu erlangen, da ihre Weigerung wahrlich keine andere Hoffnung für ihn zulasse. Freilich ließ er dieses Aufbrausen Damake nur allein merken. Wenn die Tataren, ein auf seine Freiheit so eifersüchtiges Volk, die geringste Kenntnis davon erhalten hätten, wäre damals der Krieg erklärt worden; aber Damake antwortete ihm immer mit größter Liebenswürdigkeit, ohne Furcht zu zeigen und ohne die Ehrfurcht außer acht zu lassen, die sie einem Herrscher schuldig war; und in dem einfachen und bestimmten Tone, der wahrheitsliebenden und mutigen Menschen eigentümlich ist, erzählte sie ihm diese kleine Geschichte:
    ›Einer der vornehmsten Lamas,‹ sprach sie zu ihm, ›die, wie du weißt, die oberste Macht in unserem Lande haben, verliebte sich an diesem selben Orte in eine Tochter des Stammes, dem auch ich angehöre. Sie schlug ihm nicht nur alles ab, was er ihr anbieten ließ, sondern weigerte sich auch noch, den Vorschlag, sie heiraten zu wollen – so blind war er in seiner Leidenschaft –, in Betracht zu ziehen. Ihre Liebe zu einem Lautenspieler, der gar nicht einmal allzu wohlgebildet war, war die einzige Ursache ihrer Weigerung; solches gestand sie dem Lama in der Hoffnung, daß er das Unwürdige seiner Zuneigung einsehen würde. Aber der Fürst, denn als solche werden sie angesehen, ließ, außer

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