Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
übersandte ihm tausend Golddinare, die er Diafer als Kosten für seine Reise einhändigen sollte; und er gab demselben Boten ein Schreiben mit, in dem er Diafer inständig bat, das Amt, das er ihm anbot, anzunehmen. Diafer nun machte sich auf den Weg und wurde in allen Städten prächtig aufgenommen, auch schickte ihm der König alle seine Hofleute entgegen, um ihn nach dem Palaste zu geleiten, den er im Königreiche Visapur für ihn bestimmt hatte, allwo er sich damals befand. Und Diafer wurde dort drei Tage lang mit unerhörter Pracht gefeiert; nach diesen führte man ihn zum Morgenempfange des Fürsten. Es schien ein Höhepunkt der Freude für den zu sein, einen Mann zu erhalten, den Damake so hoch schätzte; aber die Freude war nicht von langer Dauer. Denn der von Natur so sanfte und zu seinen Gunsten eingenommene Fürst geriet in einen entsetzlichen Zorn, sowie er seiner ansichtig wurde. ›Gehe sofort hinaus‹, sagte er zu ihm, ›und erscheine niemals wieder vor mir!‹ Diafer gehorchte und zog sich verwirrt und schmerzbewegt und überrascht ob eines solchen Empfanges zurück; und kam wieder in sein Gemach, ohne den Grund für den Zorn des Königs ahnen zu können; der aber hielt seinen Rat in den Geschäften seines Königreiches und arbeitete, ohne sich etwas von dem merken zu lassen, was mit dem vorgefallen war, den er zu seinem Wesire bestimmt hatte. Er begab sich dann zu Damake, die schon von dem Ereignisse, das den Hof beschäftigte, gehört hatte und nicht daran zweifelte, daß irgendeine Verwirrung in dem Gemüte dessen stattgefunden hatte, mit dem sie so vollkommen verbunden war. Der Schmerz, den dieser Gedanke ihr verursachte, hatte sie in eine große Niedergeschlagenheit gebracht, die ihr den Gebrauch der Sprache raubte. Indessen legte sie sich Zwang an; nach einigen Augenblicken des Schweigens sprach sie zu ihm: ›Wie kann man Diafer, o Herr, so schlecht aufnehmen nach all den Ausgaben, die du gemacht, und allen Mühen, so du dir gegeben hast, ihn an deinen Hof zu ziehen, nach all den Ehren, mit denen du ihn behandeln ließest und du ihn ja selbst überhäuftest?‹ ›Ach, o Damake,‹ rief der König aus, ›ich würde keine Rücksicht auf das genommen haben, was ich für ihn tat, auf den Glanz seiner Familie und auf die Mühseligkeiten, die er erduldet hat, um hierherzukommen, wenn anders du ihn mir nicht empfohlen hättest; und würde ihm im Augenblicke, als er sich vor mir zeigte, den Kopf haben herunterhauen lassen, und bin einzig mit Rücksicht auf dich willens, ihn nur auf immer aus meiner Gegenwart zu verbannen!‹ ›Aber wie konnte er sich denn deine Ungnade zuzuziehen? ‹ fuhr Damake fort. ›Denke doch,‹ erwiderte der König, ›er hatte, als er vor mich trat, das stärkste aller Gifte bei sich!‹ ›Darf ich dich fragen, o Herr,‹ fuhr Damake fort, ›was dir die Gewißheit eines solchen Geschehens gibt; und kannst du nicht an der Redlichkeit dessen zweifeln, der dir solches gemeldet hat?‹ Nurdschehan aber entgegnete ihr: ›Ich weiß es durch mich selbst; du scheinst daran zu zweifeln, doch gestatte ich dir, dich darüber aufzuklären, und du wirst sehen, ob ich mich getäuscht habe!‹ Als Nurdschehan Damake, die weniger besorgt um den Verstand des Kaisers, als darüber aufgeregt war, daß er sich so leicht durch neue Eindrücke konnte bestimmen lassen, zurückgelassen hatte, entbot sie Diafer zu sich, der voll des heftigsten Kummers vor ihr erschien. Sie unterhielt sich einige Zeit mit ihm; und als sie sah, wie tief die schlechte Behandlung, die ihm der König hatte zuteil werden lassen, das Schwert des Grams in sein Herz gestoßen hatte, sagte sie zu ihm, er tue nicht gut daran, sich zu betrüben, Nurdschehans Zorn würde nicht von langer Dauer sein; und er würde den Schimpf, den er ihm angetan, bald wieder gutmachen. Und sie fügte hinzu, daß Fürsten oft Augenblicke hätten, die man ihnen übersehen, ja verzeihen müßte. Da sie sich selbst ein wenig ob seines Kummers erregt hatte, schloß sie ihre Rede an ihn mit solchen Worten: ›Wenn ich dein Vertrauen verdiene und du mir glaubst, daß ich darauf sinnen muß, die Strafe, die du erleidest, wieder rückgängig zu machen, da ich, von deinen Fähigkeiten unterrichtet, ja die unschuldige Ursache deines Kommens bin, wenn ich also etwas bei dir gelte, so sage mir doch bitte, weshalb hattest du Gift bei dir, als man dich vor Nurdschehan führte?‹ Diafer war überrascht ob dieser Frage und antwortete ihr, nachdem er sich

Weitere Kostenlose Bücher