Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Boot aufnahm. Zuerst holte Meimune einen Dinar aus ihrem Kästchen hervor und gab ihm den; sie bestimmten ihn, seinen Fischfang scheinbar fortzusetzen und sich dabei immer mehr Konstantinopel zu nähern, wo sie im Augenblicke landeten, als man zum Morgengebet rief. Jahia schlug nunmehr völlig zufrieden und beruhigt den Weg nach seinem Hause ein und fand seine Mutter, die ihnen die Türe öffnete, schon aufgestanden vor, höchst erfreut, ihren Sohn wiederzuhaben, und zufrieden, ihn mit einem Weibe zu sehen; denn er brachte gewöhnlich nur junge Leute aus seiner Freundschaft mit; sie ruhten sich einen Teil des Tages aus, aßen dann, was ihnen Jahias gute Mutter zubereitete, und prüften den Inhalt der Bündel und des Kästchens. Die einen enthielten Meimunes kostbare Kleider, das andere das Geld, das sie im Dienste des Scheichs hatte ansammeln können, denn sie war seine Schatzmeisterin gewesen. Als Jahia aber, mehr noch von ihrer Schönheit geblendet, im Entzücken seiner Liebe seinen brennenden Herzenswunsch, sich niemals von ihr zu trennen, sondern sie zu heiraten, ihr bekundet hatte, sprach sie zu ihm voller Innigkeit: ›Du bist nicht klug, o mein lieber Jahia, und die Vernunft hat wenig Macht über dich. Noch sind wir der Gefahr nicht entronnen, und du willst mich heiraten? Solange der Scheich, der grausamste und gefährlichste aller Menschen, noch einen Atemzug tut, werde ich niemals dein Verlangen erfüllen!‹ Jahia fühlte die lebhafteste Zuneigung zu ihr und war ob ihrer Weigerung betreten und sprach zu ihr: ›Mein ganzes Leben lang werde ich unglücklich sein; denn schließlich kann nur Allah allein die Welt von einem so schlechten Menschen befreien, dessen Macht mich zittern läßt. Indessen kann er uns, meiner Meinung nach, unmöglich in dem abgelegenen Viertel, in dem wir wohnen, entdecken. Warum setzest du meinem Glücke ein so unerreichbares Ziel entgegen? Könnte ich nichts zu unserer Rache unternehmen? Sprich; um dich zu beruhigen, bin ich zu allem fähig.‹ Meimune nahm alsdann das Wort und sagte: ›Und wenn wir in der Erdesmitte wären, würde uns der Scheich doch auffinden, um uns seiner Wut zu opfern; denke nur daran, was die Rache eines entlarvten Gleisners nicht alles zu tun vermag. Ich für mein Teil – solches gestehe ich dir – werde nicht einen Augenblick Ruhe haben, solange ich dich einer so großen Gefahr ausgesetzt sehe. Wenn du mir indessen folgen willst, werden wir uns in dieser grausamen Unruhe vielleicht doch noch trösten können und ruhig leben, ohne andere Aufregungen als die, die uns etwa die Liebe verursacht.‹ ›Niemals sollst du mich blicken, o Sonne meines Lebens,‹ erwiderte Jahia leidenschaftlich darauf, ›wenn ich nicht alle deine Befehle genau ausführe!‹ ›Ich beruhige mich bei dieser Antwort‹, entgegnete ihm Meimune; ›du mußt Mittel und Wege finden, deinen Freund Mohammed zu benachrichtigen, daß er kommen soll, um mit uns zu sprechen.‹ Jahia erbot sich, ihn zu holen, seine Geliebte aber legte ihm klar, wie unangebracht solch eine unnütze Kühnheit in ihrer Lage sei. ›Das läßt mich an die Verse des Persers Dschelaledin Rumi denken,‹ fügte sie hinzu, ›die besagen, daß ein Kamel, das auf ein Minarett stieg, ausrief: Hier bin ich geborgen, niemand wird meine Zufluchtsstätte entdecken!‹ Um nun diesen Gedanken gänzlich aus seinem Kopfe zu entfernen, erinnerte sie ihn daran, daß er ihr versprochen habe, all ihre Befehle auszuführen. Darauf schrieb er an seinen Freund, der sich bald darauf einstellte. Die verschleierte Meimune nötigte ihn auf ein Ruhebett und erzählte ihm von der Gefahr, der sein Freund entronnen war. Er rief in einem fort aus: ›Heiliger Prophet, wie gibt es Allah zu, daß sich solch große Treulosigkeiten unter der Sonne ereignen können!‹ Als sie am Ende ihrer Geschichte den Scheich Ebulkiar nannte und ihn als den Urheber so vieler Grausamkeiten bezeichnete, konnte sie ihn nicht davon überzeugen. ›Wie kannst du behaupten,‹ rief er aus, ›daß ein Mann, der seine fünf Gebete hält, der den Armen schenkt, das Innehalten des Gesetzes predigt, mehr noch durch ein beständiges Beispiel als durch die Erklärungen, die er unaufhörlich über den heiligen Koran gibt, der endlich für einen der größten Schützlinge des heiligen Propheten gilt, solche Verbrechen begehen kann!‹ ›Ich weiß nicht,‹ fiel Jahia ein, ›ob dieser Greis der Scheich ist und ob der, den du meinst, derselbe ist, von dem Meimune spricht,
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