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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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war!‹ Jahia durchschnitt die Fesseln des unglücklichen Gefangenen, der auf das schreckliche Los, das seiner wartete, vorbereitet war; der aber umarmte tausendmal die Knie seines Befreiers. Sie stiegen gemeinsam in das Gefängnis, um den übrigen Muselmännern, die der Scheich für seine grausamen Mahlzeiten ausersehen hatte, die Freiheit zu geben. Währenddem zog Meimune wieder ihr Gewand an; ein Korkstück, das sie in ihre Schuhe gesteckt, hatte sie größer erscheinen lassen, der Kleiderwechsel, die Farbe, die sie ihrem Gesichte aufgelegt, und die Sorgfalt, mit der sie ihre Stimme verstellt hatte, bewiesen Jahia genugsam, wie es möglich gewesen war, selbst den Scheich zu täuschen.
    Meimune ließ alle Gefangenen vor sich kommen und sagte ihnen, sie sollten beginnen, alles wieder an sich zu nehmen, was ihnen gehört und der Scheich ihnen entwendet hätte. Und sie gab allen jungen Sklavinnen die Freiheit; darauf machte sie mehrere Bündel aus Silbersachen, Kostbarkeiten und Edelsteinen. Doch das Haus steckte so voller Reichtümer, daß sie, nachdem sie alles genommen hatten, was sie forttragen konnten, nachdem sie den Sklavinnen und Gefangenen alles Mitnehmenswerte geschenkt hatten, noch eine verschwenderische Fülle von sehr köstlichen Sachen zurücklassen mußten. Meimune ließ die Leichname des Scheichs und der beiden Sklaven in denselben Brunnen werfen, der gewöhnlich als Grab für alle guten und gläubigen Muselmänner gedient hatte, die alle Tage und seit so langer Zeit auf seinen Befehl umgekommen waren; während sie solches taten, brach der Tag an. Dann gingen sie von diesem Orte des Schreckens und Greuels fort und machten die Türe zu und trennten sich. Jahia wollte Mohammed nicht aufsuchen, da er ihm die Schwäche seiner Freundschaft und seine Voreingenommenheit für die Gleisnerei hätte vorwerfen müssen.
    Ohne ein Mißgeschick kam das zärtliche Liebespaar nach Konstantinopel. Jahia beschwor Meimune, sein Glück zu machen und ihm für immer anzugehören. Sie antwortete ihm: ›Ich willige nun mit meinem ganzen Herzen darein, o mein lieber Jahia, wir wollen ein Mahl geben und den Imam einladen und uns nach dem Willen des Propheten verheiraten.‹
    Die Hochzeit fand am folgenden Freitage in einer Weise statt, die Jahias alten äußeren Umständen angemessen war. Denn er wollte seinen Beruf nicht aufgeben; doch steckte er vorteilhafterweise das Geld, das ihm Meimune zugebracht und das er selber vom Scheich genommen hatte, in sein Geschäft. So verbrachten sie ganz nach ihrem Behagen und ohne über ihren ersten Stand hinaus zu wollen, ein friedliches Dasein und lebten glücklich. – –«
    Kaum hatte Moradbak mit Sprechen aufgehört, als der König, der mehr noch von ihrer Schönheit und ihrem Verdienste als von ihren Geschichten entzückt zu werden begann, und mehr Freude, sie zu sehen als zu hören hatte, zu ihr sagte, daß er allmählich die Ruhe in sein Herz einziehen fühle. »Unzweifelhaft sind es nicht deine Geschichten,« fügte er hinzu, »denen ich die Ruhe verdanke, derer ich froh zu werden beginne. Denn, was du mir eben erzählt hast, hat mich unwillig gemacht. Niemals will ich Scheichs in meinem Lande dulden, oder zum wenigsten wünsche ich, daß man jeden, dem man nachts auf der Straße begegnet, für ein Jahr ins Gefängnis stecken soll; doch welchen Genuß hatte dieser elende Giaur davon, Menschenherzen zu essen? Um all der schwarzen Gedanken ledig zu werden, die mir deine Geschichte eingeflößt und einzig deine Gegenwart milder gestimmt hat, wünsche ich, daß du mir morgen eine weniger ernste Geschichte als die bisherigen, und hauptsächlich als die letzte, erzählst!« »Ich werde die Ehre haben, dir morgen die Geschichte von dem Korbe zu erzählen«, entgegnete ihm Moradbak, indem sie sich zurückzog. »Mag es die vom Korbe sein«, entgegnete Hudschadsch; und folgenden Tages begann sie solche Geschichte:

Die Geschichte des Korbes
    Die alten Geschichten erzählen uns von einem jungen musterhaften Könige, der Kemsarai mit Namen hieß, durch alle Arten von guten Eigenschaften schätzbar war und sich nur um das Glück seiner Untertanen sorgte. Gerechtigkeit bildete die einzige Richtschnur seiner Handlungen, und die Armen standen ihm noch näher als die Reichen. Die Kenntnis des Vergangenen, die große Fürsten gewöhnlich bildet, machte den Hauptgegenstand seines Dichtens und Trachtens aus. So hatte er denn, von dem Wunsche beseelt, alle bedeutenden Ereignisse, die in den

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