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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Hoffnung jedoch, die er in Allah setzte, und das Gebet, das er zu ihm hinaufsandte, nahmen ihm jede Besorgnis und ließen ihn in dem Opfer eines Scheusals von Grausamkeit eine dem heiligen Propheten wohlgefällige Handlung sehen. Solche Gedanken beschäftigten ihn bis zur Stunde des letzten Gebetes. Als sie gekommen war, ging er in die Straße, wo er dem Scheich begegnet war, und sah, daß dieser ihn bereits überholt hatte und mit einem jungen Manne umkehrte, den er wahrlich für ein Opfer hielt, das er mit sich führte: dieser aber schien ziemlich stattlich zu sein. Und er war über die Maßen erstaunt ob ihrer merkwürdigen Eile, wagte aber nicht, hinter ihnen herzugehen, zumal er noch in den Straßen und in den Nachbarhäusern sprechen und gehen hörte. Indessen folgte er ihnen auf gut Glück und traf auf den Sklaven, der hinter ihnen herging, auf dem Friedhofe, den sie notgedrungen durchqueren mußten. Und er nutzte eine Wegkrümmung aus und versetzte ihm einen solchen Säbelhieb, daß sein Kopf im Bogen davonflog, ohne daß er noch einen einzigen Laut hatte von sich geben können. Sofort nahm er seine Ledermütze vom Boden und setzte sie statt seines Turbans auf und traf in dem Augenblicke auf den Scheich, als man ihm das Tor öffnete, nachdem er wie gewöhnlich gesagt hatte: ›Öffne, ich bins.‹ Ohne ein Wort zu reden und ohne erkannt zu werden, folgte ihm Jahia und benutzte die Dunkelheit, um den Eintrittsraum zu durchschreiten und sich in einer Hofecke zu verstecken, fest entschlossen, alles zu wagen und über den Scheich herzufallen, nachdem er seine Sklaven einzeln angegriffen hatte. Er hörte die Zubereitungen des Mahles; verfolgte dessen ganzen Verlauf, sah die Geschenke heranbringen, unterschied die Stimmen und die Musikgeräte, die die Sklavinnen spielten; und den Schlaf des Scheichs für den günstigsten Augenblick haltend, erwartete er mit der lebhaftesten Ungeduld den Ausgang eines solchen Abenteuers. Endlich ließ man den jungen Mann sich mit der Sklavin, die er erwählt hatte, zu Bette legen; und kurze Zeit darauf hörte er den durchdringenden Schrei einer Frau, die um Hilfe rief. Und er unterschied des Scheichs Stimme, der seinen Sklaven rief und ihm seine Waffen herbeibringen hieß. Inmitten dieses Aufruhrs glaubte er die Stimme seiner lieben Meimune zu vernehmen. Nichts vermochte ihn nun noch zurückzuhalten; und er stieg die kleine Treppe hinan, die ihn ehedem zu dem Gefängnisse geführt hatte, stemmte sich mit solcher Wucht gegen die Tür, daß sie nachgab, und stand in dem Augenblicke vor dem Scheich, als er sich auf einen daliegenden Menschen stürzen wollte, um ihm einen Dolch zu entwinden, mit dem er bewaffnet war, während eine Frau im selben Bette in ihrem Blute gebadet zu liegen schien. ›Du sollst sterben, o Unselige,‹ rief der Scheich aus, ›ich will mich des wohligen Rachegefühles freuen.‹ ›Die Liebe und Gerechtigkeit, die mich hergeleitet haben, verdienten glücklicher zu sein‹, entgegnete darauf Meimune mit ihrer natürlichen Stimme; ›ich habe meine Pflicht getan, tue du nun deine!‹ Jahia ließ ihm aber keine Zeit dazu; voll der Empfindung, welche die um das Liebste besorgte Liebe erzeugt, nahm er den Säbel zur Hand, faßte den Scheich am Barte und durchbohrte ihn mehrere Male. Im Augenblicke, als sein Lieblingssklave gemäß seiner scheußlichen Gewohnheit einen Gefangenen als Opfer herbeibrachte, stürzte Jahia auf ihn zu und bestrafte ihn trotz aller Messer, mit denen er bewaffnet war, für seine Verbrechen. Dann warf er sich Meimune zu Füßen; aber er hatte viel Mühe, sie wiederzuerkennen, so viel Farbe hatte sie ihrem Gesichte aufgetragen, um sich unkenntlich zu machen. Sie in solchem Zustande sehen und im Hause des Scheichs finden, ließ ihn alles erkennen, was sie in ihrer Zärtlichkeit und in ihrem Edelmute getan hatte. Und wirklich, es war Meimune selbst, die in Männerkleidung dem Scheich in den Weg getreten war und die er zum Mahle mit sich nahm. Als Jahia Meimune seine Dankbarkeit und Liebe beweisen wollte, sprach sie also zu ihm: ,Wir dürfen uns jetzt noch nicht der Freude überlassen; was würde uns bevorstehen, wenn man uns an diesem Orte des Schreckens fände? Wie wollten wir den Kasi von unserer Unschuld überzeugen, wenn er uns hier überraschte? Ich habe diese Unglückliche getötet,‹ fuhr sie fort, ›weil sie mir das schurkische Vorhaben des Scheichs nicht offenbart hat und ihr Tod für die Sicherheit deines und meines Lebens notwendig

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