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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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denn ich habe ihn nur einmal gesehen!‹ ›Wie kann man daran zweifeln!‹ sagte Meimune etwas ungeduldig. ›Ich bin drei Jahre lang seine Sklavin, und jeden Tag sind meine Augen Zeuge einer neuen Grausamkeit gewesen!‹ ›Wahrlich,‹ unterbrach Mohammed sie, ›ein ungläubiger Geist wird deine Augen bezaubert haben, um dem Rufe des heiligsten Menschen unserer Tage Eintrag zu tun.‹ ›Ob er Scheich ist oder nicht,‹ erwiderte ihm hitzig die süße Meimune, ›es gibt einen solchen Menschen, der derartige Verbrechen begeht und deinem Freunde das Leben gefährdet. Wie kannst du einen Augenblick schwanken? Sind nicht Gott und Freundschaft fähig, dich zu rühren?‹ ›Ich will alles prüfen‹, sagte Mohammed dawider, ›und das Benehmen des Scheichs beobachten; ohne aber ganz überzeugt zu sein, werde ich meine Hände nicht mit dem Blute des Gottesfreundes beflecken!‹ Meimune sah, daß sie nichts weiter erreichen und die Freundschaft in Mohammeds Gemüt nicht Oberhand über die Eindrücke der Gleisnerei gewinnen konnte, und rief laut aufschreiend: ›Versprich uns wenigstens und schwöre es auf den heiligen Koran, daß du unser Geheimnis bewahren willst; der, der Jahia mehr liebt, wird ihn befreien!‹ Mohammed gab sein Wort und kehrte nach Skutari zurück. Am folgenden Morgen aber ging Meimune in ihrem Kappenmantel aus und begab sich nach einem Gewölbe im Schneiderviertel und suchte ein vollständiges Ikoglan-Gewand aus; und nachdem sie es erstanden hatte, verbarg sie es mit einigen andern Einkäufen unter ihrem Mantel. Während der zwei oder drei folgenden Tage war ihr Herz beklommen und ihr Gemüt errregt; sie antwortete selbst auf Jahias inständige Bitten und Liebkosungen nur mit Rührung, und die niedergeschlagene Miene, mit der sie ihre Weigerungen begleitete, brachten ihren Geliebten schier an den Rand der Verzweiflung. Als sie die Sache endlich für notwendig hielt, ging sie zwischen dem zweiten und dritten Gebete aus. Wie nun Jahia sie, sogar als die Nacht hereinbrach, nicht zurückkehren sah, überkam ihn die grausamste Unruhe. Seine Mutter aber sprach zu ihm, als sie den Zustand sah, in dem er sich befand: ›Was hast du denn, mein Sohn?‹ ›Wehe, o Mutter,‹ sagte Jahia dawider, ›Meimune kommt nicht zurück!‹ ›Es schickt sich nicht für eine Frau, einem Manne Ratschläge zu geben‹ entgegnete die, ›doch wenn du dieses liebenswerte Mädchen verloren hast, so verdientest du es wahrlich. Frauen wollen nicht mit so viel Milde behandelt sein, sie mißbrauchen immer die Aufmerksamkeit, die man ihnen schenkt, und vor allem auch die Freiheit, die man ihnen einräumt. Ich müßte mich sehr irren,‹ fuhr sie fort, ›wenn du Meimune jemals wiedersiehst.‹ ›Ach, o Mutter,‹ unterbrach sie Jahia, ›sie gleicht ja den anderen Frauen nicht; ihr Herz ist klarer denn Morgentau!‹ ›Ich will es wünschen,‹ antwortete sie ihm, ›denn du liebst sie; sie hat dir die gleichen Gefühle geschworen. Wer hinderte sie daran, sie dir zu beweisen oder dich zu heiraten, wie du es ihr so oft vorgeschlagen hast? Warum wurde ihre Miene immer ernster und bedrückter? Warum hat sie gestern so geheimnisvoll ein Männergewand, einen langen Dolch und andere Sachen mitgebracht, die ich unter dem Ruhebette verborgen vorfand und die heute nicht mehr da sind? Sei versichert, o mein Sohn, sie hat zuviel Verstand, als daß sie etwas ohne Grund täte!‹ ›Ach, o Mutter,‹ unterbrach Jahia seinerseits, ›ich bin verloren, ich bebe. Meimune wird zweifelsohne ...‹ und wagte nicht weiter zu reden, aus Furcht, er könne sein Geheimnis verraten. Alsbald küßte er trotz seiner Verwirrung und seines Aufgeregtseins der Mutter die Hand, nahm seinen Säbel und ging fort. Einen Augenblick später – und er würde kein Boot mehr angetroffen haben, um nach Skutari segeln zu können. Und in der Tat, er kam dort an, als der Tag zur Neige ging, setzte sich an das Meeresufer, und nur an seine Liebe denkend, beschloß er, ohne die geringste Hilfe von einem, noch dazu so voreingenommenen Freunde wie Mohammed erbitten zu wollen, den Scheich auf seinem Wege aufzulauern und ihn trotz der beiden Sklaven, die ihn gewöhnlich begleiteten, anzugreifen; der Kummer, die Unruhe und die Besorgnis, die dieser Grausame seiner süßen Meimune hatte bereiten können, sein verzögertes Glück, das Leben seiner Geliebten, die er unaufhörlich der grausamsten Rache ausgesetzt sah, genügten, um ihn in seinem Beschluß zu bestärken. Die

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