Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
stellen‹, unterbrach sie Zahide. ›Wie, du stellst mir immer nur Fragen,‹ rief Muna schmerzbewegt aus, ›willst du denn niemals zärtlich zu mir sein?‹ ›Du sollst eines Tages mit meinen Gefühlen zufrieden sein‹, antwortete ihr Zahide; ›ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht!‹ Als die süße Muna solches vernahm, beruhigten sich ihre Geister ein wenig; und jene fuhr also fort: ›Du scheinst mir zu jung zu sein, als daß du schon sieben Jahre hier wärest!‹ ›Ich zählte zwölf Jahre, o Herr, als ich hier ankam; was mich aber selbst in Erstaunen setzt, ist, daß sich keine Veränderung in meiner ganzen Gestalt gezeigt hat!‹ ›Das geht nicht natürlich zu,‹ unterbrach sie Zahide, ›du scheinst mir in der Tat erst zwölf Jahre alt zu sein. Während die erstaunliche Menge der Fremdlinge, die hierhergekommen sind und denen man dich ausgeliefert hat, dich hätten müssen ...‹ ›Ach! wenn es ein wünschenswertes Los für uns wäre, von den Männern erwählt zu werden, wäre ich sehr unglücklich gewesen; du bist der erste, der mir einen Vorzug gegeben hat und den ich nicht so grausam zu finden wähnte; ja, o teurer Sultan meines Herzens, du wirst das Unglück meines Lebens sein. Eine geheime Ahnung hatte mich zweifelsohne bislang gehindert, danach zu verlangen; indessen, seit ich dich gesehen habe, kamen mir bisher unbekannte Wünsche. Und ich habe gewünscht, deine schönen Augen zu küssen, habe Lust, dich zu umarmen und mich niemals von dir zu trennen. Die Rosen meines Lebensfrühlings sind noch nicht verwelkt, du hast es selbst zugegeben; warum also, o Grausamer, behandelst du mich mit Härte? Was sollen meine Genossinnen sagen? Wie kann ich vor ihnen erscheinen, wenn sie von der Verachtung hören, mit der du mich behandelst? Ich wäre glücklich, wenn ich nicht erwählt worden wäre‹, fügte sie unter Tränen hinzu. ›Tröste dich, o meine liebe Muna,‹ fing Zahide mit unendlicher Freundlichkeit wieder an, ›ich kann mich noch nicht entschließen, dich zu verlassen; bekenne deinen Gefährtinnen offen, daß ich hitzig in die Prinzessin verliebt bin; deine Eitelkeit hat dann weniger zu leiden. Indessen verspreche ich dir, daß ich dir Zärtlichkeit mit Zärtlichkeit vergelte, wenn du mir einen Dienst leisten willst, der mir wichtig ist!‹ ›Was täte ich nicht, um deine Gunst zu gewinnen?‹ antwortete ihr Muna mit einer Zärtlichkeit, in die sich Tränen mischten. Da fuhr Zahide fort: ›Du mußt die Gründe, die den geheimnisvollen Korb angehen, und die des Empfanges, den die Prinzessin scheinbar allen zu bereiten hat, die er hierherführt, zu erforschen suchen. Was ich sah, das wenige, das du mir eben erzähltest, die Heimlichkeit, die man bei der Erzählung beobachtet, die ihr vor dem Könige in Anwesenheit des Diwans abzulegen habt, hinter allem scheinen mir merkwürdige Dinge zu stecken. Morgen erzählst du mir, was du entdeckt hast, und ich verspreche dir, keine andere Sklavin zu erwählen; also werden wir Zeit haben, wieder beisammen zu sein!‹ ›Wenn das ein Mittel ist, dich für mich einzunehmen,‹ sprach darauf die schöne Muna zu ihr, ›so sei überzeugt, daß ich alles daransetzen werde, um dir genügende Kunde zu bringen!‹ Darauf zog sich Zahide zurück, um in einer Ecke des Ruhebetts zu schlafen, und sagte zu Muna, sie solle die andere äußerste Ecke einnehmen. ›Wie, ich soll selbst nicht einmal an deiner Seite schlafen?‹ rief Muna mit schmerzbewegtem Herzen aus. ›Nein,‹ antwortete Zahide, ›es kann nicht anders sein, und du mußt tun, was ich verlange!‹ Muna wurde also gezwungen, ihr zu gehorchen; doch brachte sie die ganze Nacht weinend und seufzend hin. Als der goldgeflügelte Vogel bereit war, sein Nest mit allen Vorzügen seiner Schönheit zu verlassen, riß sie sich von diesem Orte los, nicht ohne ihr Herz durch einen Kuß gestärkt zu haben, welchen sie der schönen Zahide gab, die sich mit vieler Mühe ihrer zärtlichen Umarmung entzog. Indessen beschwor Zahide die Scheidende, sich sorgfältig nach den Dingen, die sie wissen wollte, zu erkundigen, und vertröstete sie auf das Wiedersehen am Abend.
    Muna entfernte sich nur widerwillig von dem Gegenstände ihrer Liebe; und als sich Zahide allein befand, gab sie sich all den Gedanken hin, die das, was sie sah, und die Teilnahme an dem Schicksale ihres Bruders erregte. Sie schritt durch beide Gärten, prüfte das Lusthaus mit dem Throne, in der Hoffnung, einiges zu bemerken, was ihr von

Weitere Kostenlose Bücher