Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
indem er sie umarmte: ›Möge der Stern des Glückes dir auf allen Wegen folgen!‹ Das Herz der Prinzessin jedoch war so in Kummer versunken, daß sie nicht die Kraft hatte zu sprechen.
Sie unterrichtete sich mit solcher Genauigkeit über die Lage der Stadt Medhuchan, daß sie sie ohne Widrigkeiten erreichte, um so mehr, als sie ihr Geschlecht verborgen, ihre Hautfarbe gebräunt, ihre schönen Haare unter einem Turban verborgen hatte, mit einem Worte, in keiner Weise die Schönheit, mit der sie der Himmel begabt hatte, sehen ließ.
Und sie fand die Dinge gemäß der Erzählung des Königs, ihres Bruders; fragte den ersten schwarzgekleideten Menschen, der ihr begegnete, nach dem Wege zum Korbe. Doch der antwortete ihr nur mit einem Seufzer; und sie bemerkte, daß er aus der Stadt hinausging, und folgte ihm und kam bald zu dem verfallenen Gemäuer, das sie von etwa zwanzig schwarzgekleideten Menschen belagert fand, die alle vergebliche Versuche machten, sich in den Korb zu setzen; der aber hielt still, sobald sie sich näherte. Sie stieg eilends hinein und wurde wie ein Blitz hochgeführt inmitten der Schreie und Klagen derer, die sich vergebens bemüht hatten. Sie kam in den Garten der Prinzessin. Die Beschreibung, die ihr Bruder von ihm gegeben hatte, war so genau, daß sie ihn leicht wieder erkannte. Als die Nacht gekommen war und die Jungfrauen ihre Plätze eingenommen hatten, ließ man sie suchen und vor die Prinzessin führen. Sie war von ihrer Schönheit überrascht, die den traurigen Zustand des Königs, ihres Bruders, entschuldbar machte. Indessen bemerkte sie Niedergeschlagenheit auf ihren Zügen und Traurigkeit in ihren Augen und eine Schwermut in ihrem ganzen Wesen, die sie vergebens zu verbergen suchte. Sie bereitete ihr einen ehrenvollen, aber frostigen und verwirrten Empfang. Zahide sah sich, in der Absicht, ihre Neugierde zu befriedigen, gezwungen, ihr eben die Freundlichkeiten zu bezeigen, als wenn sie wäre, was sie zu sein schien. Die Aufmerksamkeit, die sie für die Prinzessin zu fühlen begann, das Mitleid mit dem argen Zustande des geliebten Bruders, ihr sehnliches Verlangen, ihm zu dienen, alle diese Gefühle, die mit Neugier vermischt waren, gaben ihr eine Lebhaftigkeit, die ein so gleichgültiges Wesen, wie es die Prinzessin zu sein schien, leicht täuschte. Zahide wollte sich darauf einige Freiheiten herausnehmen und zärtlich zu ihr sein, sie wurde aber streng in die Schranken zurückgewiesen. Die Tänze und die Musik wurden aufgeführt; man reichte die Weine in den Goldschalen in verschwenderischer Fülle dar; und die Prinzessin, die das Mahl zu beendigen bestrebt war, bot Zahide einer ihrer Sklavinnen an.›Gestatte mir, daß ich sie ablehne‹, sagte das schöne Mädchen; ›das Bild deiner Schönheit steht meinem Herzen zu nahe, als daß es mich nicht bis zum Augenblicke beschäftigte, wo wir uns wiedersehen!‹ Abgesehen davon, daß ihr ja die Sklavin nichts nütze sein konnte, äußerte sie auch ein solches Zartgefühl, um zu erfahren, ob sich ihr Bruder durch die ihm angebotenen Sklavinnen einen Vorwurf zugezogen habe. Die Prinzessin antwortete ihr jedoch mit einer Ungeduld und Angst, die sie nicht verbergen konnte: ›Wie, du schlägst eine dieser schönen Jungfrauen aus?‹ ›Es ist das einzige, o Herrin der Schönheit,‹ sagte Zahide darauf, ›was ich von allen Dingen, die du deinem Sklaven anzubieten geruhst, zurückweise.‹ ›Solche Weigerung ist hier nicht erlaubt,‹ unterbrach sie die Prinzessin, ›das Gesetz, das dir hierher zu kommen erlaubt,‹ fuhr sie fort, ›verpflichtet dich, eine Sklavin auszuwählen und die Nacht mit ihr zu verbringen; trotzest du dem, so bereite dich vor, uns zu verlassen!‹ Zahide gab bei dieser Drohung nach. ›Geruhe wenigstens, o Seele meiner Gedanken, die Wahl selber vorzunehmen‹ fügte sie hinzu. ›Sie sind mir alle ganz gleich,‹ unterbrach die Prinzessin mit Unmut, ›nimm die Schönste nach deinen Augen!‹ ›Weil ich denn durchaus eine wählen oder deinen Anblick meiden soll,‹ fuhr Zahide fort, ›so wünschte ich wohl die kennenzulernen, die dir am wenigsten gefällt; ihr würde ich den Vorzug geben, um dir den Eindruck zu beweisen, den du auf mein Herz gemacht hast.‹ Die Prinzessin nahm nun eine ungeduldige Miene an: ›Niemals‹, sprach sie, ›ist ein Fremder mit so kaltem Gefühle und solcher Zudringlichkeit, wie du, hier gewesen; nimm, sage ich dir, die, welche dir zusagt; aber wähle eine!‹ Als Zahide sah, daß
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