Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Mit einem Worte,‹ fuhr sie fort, ›wenn mein Geliebter nicht unterwürfig ist, was habe ich von ihm zu erwarten, wenn ich so unglücklich wäre, in ihm meinen Gatten zu sehen? Glaube mir nur, ich will eher das Leben lassen, als mich einem Menschen fügen, über den ich so wenig Macht habe und der meine Geschenke mißachtet.‹ ›Oh, wie ungerecht bist du‹, rief Zahide aus . . .›Glaube mir, deine Klagen sind vergeblich, sie überzeugen mich nicht,‹ sagte die Prinzessin zornig darauf, ›erwähle eine meiner Sklavinnen und trennen wir uns, das ist das beste, was wir tun können!‹ Zahide bat sie, die Güte haben zu wollen, ihr die treue Muna zu lassen, und solches wurde ihr zugestanden trotz des Erstaunens, das diese Beständigkeit bei der Schar der Jungfrauen verursachte, und trotz der geringen Hoffnung, welche die Prinzessin daraus schöpfte.
Als nun die Tore des Gartens geschlossen waren, bemächtigte sich beider ein gleicher Eifer: der einen, weil sie Fragen stellen, der andern, weil sie darauf antworten wollte. ›O schöner Fremdling,‹ sprach Muna zu ihr mit der Wärme des Gefühls, das zuversichtlich weiß, daß es Erfolg hat, ›alles ließ mich die Liebe entdecken!‹ ›Ach, o meine liebe Muna, wie bin ich dir dankbar‹, unterbrach Zahide sie. Solch süße Worte bezahlten die Sklavin für alle ihre Bemühungen. ›Dies nun‹, sagte sie, ›hat die Alte mir berichtet und ist, glaube ich, alles, was wir darüber erfahren können:
Die Geschichte Gülsums und des Königs der Geister
Der König von Medhuchan, Vater der Prinzessin Zuluch und des Prinzen Badanazar, welcher heute herrscht, starb vor ungefähr zehn Jahren; die schöne Gülsum, sein Weib aber verwaltete seine Staaten mit einem Rate der Wesire, den der König vor seinem Ableben eingesetzt hatte, da seine Kinder noch zu jung waren, um ebenso weise Vorkehrungen zu treffen.
Gülsum nun war schön und noch jung. Der Ruf ihrer Schönheit wurde bald noch mehr durch die Weisheit ihrer Herrschaft und die Sorgfalt, mit der sie sich insbesondere der Erziehung ihrer fürstlichen Kinder widmete, gehoben; denn Herzenstugenden erhöhen immer noch die äußeren Reize. Der König der Geister wurde von den Vollkommenheiten der Königin in Kenntnis gesetzt und zweifelte lange, ob ihr Ruf nicht übertrieben wäre. Um es selbst zu entscheiden, erschien er an ihrem Hofe; und aus der Bewunderung ihrer schönen Eigenschaften entstand gar bald eine unbändige Liebe; doch je mehr er ihr nachgab, um so unglücklicher wurde er. Denn die Königin hatte dem Könige, ihrem Gatten, ewige Treue versprochen, und niemals konnte der König der Geister mehr von ihr erlangen als Zeichen der Dankbarkeit für die Dienste, die er ihr unaufhörlich leistete, und für all die Aufmerksamkeiten jeder Art, mit denen er sie alle Augenblicke belästigte. Doch Dankbarkeit allein genügt einem Liebhaber nicht. So verwandelte sich alsbald die Liebe des schrecklichen Königs in Haß. Und er sann lange nach, wie er sich an der gleichgültigen Königin rächen könnte, und beschloß endlich, sie in einer Weise zu bestrafen, die sie empfindlich fühlen mußte, ohne daß es sie jedoch persönlich träfe. Die weise Königin, die voll der edlen Gefühle war, hatte alle Sorgfalt angewandt, um die Prinzessin Zuluch in allen Tugenden, die sie selbst ausübte, zu unterweisen; da nun der Geist ihre tief eingeprägten Lehren aus dem zarten Gemüt der Tochter nicht austilgen konnte, so beschloß er, sie wenigstens des äußeren Anscheins der Tugend zu berauben und dadurch die sanfte und tugendreiche Mutter zu betrüben.
Um seinen Plan auszuführen, hetzte er die Mitglieder des Rates auf, sie sollten niemals einwilligen, daß das Königreich Medhuchan geteilt würde, wozu sich die Königin Gülsum bei einer etwaigen Heirat der Prinzessin Zuluch genötigt sah. ›Denn weil es keine Staatskunst ist,‹ fügte er hinzu, ›plötzlich die Rechte und Nutznießungen eines Staates einzuschränken, muß man die Heirat der Prinzessin mit solch großen Schwierigkeiten verknüpfen und ihrer Lebensweise einen so abschreckenden Anschein geben, daß Zuluch niemals einen Fürsten finden kann, der sie heiraten will. Und wenn sie etwa eine unebenbürtige Heirat eingeht, so kann sich der Diwan mit Recht widersetzen, ihr die Hälfte des Königreichs zu geben!‹ Da er indessen bedachte, daß es ungerecht wäre, einer jungen und keines Verbrechens schuldigen Prinzessin ein trauriges und bejammernswertes Leben zu
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