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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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ganzen Umfang hin. Sie ging fort, ließ die Prinzessin wecken und teilte ihr ihre Entdeckungen mit.
    Zuluch aber hing immer der Leidenschaft nach, die sie für den Fremden gefaßt hatte; da sie jedoch die Prüfungen peinigten, denen sie ihre traurige Lage aussetzte und die ihre Liebe zu dem Könige Kemsarai ihr noch unerträglicher machte, war sie entzückt ob Munas Erzählungen, zumal sie fürchten mußte, daß sie sich eines Tages gezwungen sehen würde, irgendeinem der Fremden, die der Korb unaufhörlich herbeibrachte, die Hand reichen zu müssen, und beschloß auf der Stelle, die Fremde zu heiraten, die dem Anscheine nach es niemals wagen würde, ihr Geschlecht zu entdecken, das zu verbergen sie ebensoviel Ursache haben würde wie sie. Dieses Vorhaben entsprach völlig dem Gefühle ihres Herzens und gab ihr einen vernünftigen Vorwand, einer Lebensart zu entsagen, der sie keinen Geschmack mehr abgewinnen konnte. Sie versprach daher Muna die Freiheit, wenn sie das Geheimnis des Fremden nicht enthüllen würde und sich mit der Aussage begnügen wolle, daß er ihr auch in dieser dritten Nacht nicht unterlegen wäre. Muna gehorchte ihr; und als sie dem Könige und seinem Diwan ihre mit dem Wunsche der Prinzessin übereinstimmende Erklärung abgegeben hatte, sagte der: ›Laßt uns doch einen Gatten sehen, wie wir ihn seit so langer Zeit erwarten; laßt uns den mäßigsten aller Männer in Augenschein nehmen!‹ Alsbald gab er Befehl, daß zwei Wesire im Gefolge aller Hauptleute seiner Krone und seines Hauses hinausgehen sollten, um aus den Gärten des Geistes den Fremden zu holen, der die Prinzessin, seine Schwester, heiraten sollte. Seinem Befehle wurde nachgekommen, und die Wesire fanden Zahide noch schlafend vor, und stellten sich in tiefstem Schweigen, mit allen Abzeichen ihrer Würde, um sie auf, standen gesenkten Auges da und wagten den nicht anzusehen, der der Schwager des Königs werden sollte.
    Unterdessen wachte Zahide auf und staunte im höchsten Staunen, als sie sich inmitten eines so glänzenden und unterwürfigen und schweigsamen Hofes sah, während sie doch erwartet hatte, in dem verhängnisvollen Korbe zu sein. ›Wo bin ich?‹ fragte sie mehrere Male. Der Großwesir fiel vor ihr nieder und antwortete auf ihre Fragen nur mit Ehrerbietung und der Bitte, daß sie einwilligen möchte, ihm zu folgen. Zahide fügte sich seinem Wunsche, alles, was sie sah, konnte sie nicht beunruhigen; sie folgte also dem prächtigen Zuge und kam bald in dem Palaste des Königs an, der sie auf seinem Throne empfing; die Prinzessin Zuluch aber saß ihm zur Seite. Der König sprach zu ihr: ›Komm, o Fremdling, dessen Treue und Mäßigkeit Belohnung verdienen; nenne uns wenigstens deinen Namen, deine Heimat und deinen Beruf; dein Schwager muß doch deine Geschichte kennen: erzähle vor allein ausführlich von deinen Reichen und deinen unermeßlichen Ländern.‹ Zahide, die nicht an den spöttischen Ton, den man gegen sie anschlug, gewöhnt war, warf sich dem Könige zu Füßen und sprach: ›Möge deine Erhabenheit die Gefühle verzeihen, die mich hierhergeführt haben; ich bin zu aufrichtig, als daß ich noch länger lügen könnte!‹ Zuluch fürchtete, daß sie ein Geheimnis zu offenbaren beabsichtigte, auf das sich ihre Ruhe stützte, und wollte sie unterbrechen; doch Zahide fuhr, um die Prinzessin wenigstens um den grausamen Zustand wissen zu lassen, in den die Liebe ihren Bruder versetzt hatte, mit solchen Worten zu reden fort: »O Herr, Kemsarai ...« Bei diesem Namen errötete die Prinzessin, Zahide aber redete weiter, ohne es scheinbar zu bemerken: »Mein Bruder«, sprach sie, »ist ein junger und unglücklicher König, der aus Liebe zu der Prinzessin Zuluch stirbt; er hat die Schlingen, die man Fremden in deinen Staaten legt, nicht zu umgehen gewußt, und der Korb hat ihn dadurch, daß er ihn forttrug, zu dem unglücklichsten aller Menschen gemacht. Ich bin mit ihm durch eine so zärtliche Freundschaft verbunden, daß ich ihn nicht sterben lassen wollte, ohne wenigstens versucht zu haben, ihm einen Trost zu verschaffen. Und ich habe mich also in der Verkleidung, in der du mich siehst, allen Zufällen einer der größten Reisen ausgesetzt und habe das Abenteuer des Korbes versucht!« »Wie, du bist kein Mann?« entgegnete der König. »Nein, o Gebieter, ich heiße Zahide«, antwortete die und rieb sich mit einer Flüssigkeit, die sie zu solchem Zwecke mit sich genommen hatte, das Gesicht ab und nahm ihren Turban

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