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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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wie unglücklich bin ich!‹ rief sie aus. ›Vergebens, o Treuloser, habe ich zu deiner Befriedigung ein Geheimnis entschleiert, das ich nicht zu enträtseln suchen durfte, vergebens habe ich mich darüber hinweggesetzt, um dich davon zu unterrichten; ich sehe ein, du wirst den Verrat so weit treiben, daß du der Prinzessin alles, was ich dir eben mitgeteilt habe, entdeckst und ohne Bedauern ein Mädchen, das dich vergöttert, sterben siehst; aber ich werde es zu hindern wissen, daß du sie wiedersiehst. Ich hoffte, daß du mir wenigstens die letzten Augenblicke deines Aufenthaltes in diesem Garten, der für mich nur noch ein Ort des Entsetzens sein wird, schenken würdest; noch ein Wort: wenn du die Prinzessin liebst, wirst du ebenso unglücklich sein wie ich; die Liebe verpflichtete mich dazu, dir ein Geheimnis daraus zu machen. Vernimm also, daß die Prinzessin morgen dein ist, wenn du sie heiraten willst und ich dir Gerechtigkeit widerfahren lasse. Aber ehe ich mich mit dem Glücke meiner Nebenbuhlerin zufriedengebe, will ich meineidig werden. (Wessen ist eine übermäßige Liebe nicht alles fähig!) Und ich will vor versammeltem Hofe erklären, daß du mir diese Nacht unterlegen bist; und du wirst das Glück verlieren, dem du mich aufopferst; ich werde der Prinzessin, die sich mehr fürchtet, dich zu heiraten als zu sterben, damit einen Dienst leisten. Ja, was es mich auch kosten mag, du sollst nicht über mein Unglück siegen; trotz deiner Zurückhaltung will ich mit Freuden versichern, daß du mir Recht hast widerfahren lassen; und du wirst in den Korb zurückkehren, und Trauer und Betrübnis wird über dich kommen!‹ Zahide wurde sehr ängstlich bei diesen Drohungen; der Entschluß, den sie zu fassen hatte, war nicht so einfach. Was würde mit ihr geschehen, wenn sie verpflichtet wäre, die Prinzessin zu heiraten? Daher ließen sie die wenige Hoffnung, ihren Bruder nützen zu können, und die Furcht, nutzlos für ihn zu sterben, die Rache, die Muna sann, für das einzige Mittel halten, das sie aus der Verlegenheit ziehen könnte, in dem Korbe zurückkehren zu müssen. ›Sind mir deine Gedanken günstig gesinnt?‹ nahm Muna das Wort, welche die Erregung in ihrem Gesichte gelesen hatte. ›Nein,‹ entgegnete ihr Zahide, ›keine deiner Drohungen regt mich auf; laß uns etwas ausruhen. Du magst alles tun, was dir behagt,‹ sprach sie kühn zu ihr, ›ich fürchte dich nicht!‹ Muna wurde verwirrt ob einer solchen Beständigkeit in ihrer Mißachtung und sehr betrübt ob dieses letzten Zwiegesprächs, das ihre Eigenliebe noch mehr empörte; dennoch schickte sie sich trotz der Wut, die sie auf dem Herzen hatte, an, Zahide zu gehorchen, und zog sich, von tausend verschiedenen Gedanken gepeinigt, in die äußerste Ecke des Ruhebettes zurück. Zahide litt nicht minder unter dem Sturzbach Tausender von Gedanken. Indessen gestatteten ihr die Mattigkeit und das Bedürfnis, die sich bei einem von Leidenschaften verschontem Herzen leicht fühlbar machen, sich dem Schlummer hinzugeben.
    Muna aber, die nicht schlief und sie unausgesetzt betrachtete, mußte diesen Schlaf für eine letzte Beleidigung halten; wenig fehlte daran, daß sie die unglückliche Prinzessin ihrer Rache opferte; und sie hatte die Absicht, sie nicht überleben zu wollen; zwanzigmal faßte sie den Plan, zwanzigmal griff sie nach ihrem Dolche, doch als sie endlich den Tag kommen sah, wollte sie den noch einmal mit ihren Augen verschlingen, von dem sie auf immer getrennt werden sollte. Sie erhob sich, um ihm nahe zu kommen, und betrachtete ihn voller Entzücken; und wollte ihm wenigstens noch einen Kuß geben, sah auch sorgfältig nach, ob sie nicht irgendeine Kleinigkeit fände, die ihm gehörte, die einen großen Schatz für sie ausmachen und ihr als Trost in seiner Abwesenheit dienen könnte. Endlich sahen ihre Augen infolge der Unordnung bei dem Schläfer klar: Zahide schien ihr ein Weib zu sein; je mehr sie nachforschte, desto mehr überzeugte sie sich davon und traute ihren Augen kaum, konnte auch nicht mehr daran zweifeln: ein reizender und mehr als zur Hälfte entblößter Hals war die geringste ihrer Gewißheiten; die Binde ihrer Leidenschaft fiel im Nu; ihre Wünsche erloschen; sie fand ihre frühere Unschuld wieder, mit einem Wort: sie wurde eine andere Muna. Ihre Eigenliebe, die nicht mehr durch die Vorgänge, die sie erduldet hatte, empört wurde, stellte die Gerechtigkeit in ihrem Herzen wieder her und wies sie auf ihre Pflichten im

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