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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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gekleidet wären; er hielt ein offenes Haus für alle jungen Leute seines Alters, die ihm beständig den Hof machten und unaufhörlich seinem Wahne durch Lobreden Nahrung gaben, die sie seinem Aufwande, seinen Musikaufführungen, der Güte seiner Weine und der Gediegenheit seiner Mahlzeiten zollten.
    Ein solches Leben hatte bald seine ganze Erbschaft zerstreut. Als er alle Gefäße geleert hatte, verkauft er die Stadt- und Landhäuser und erhielt sich so lange wie möglich die Frauen. Endlich aber sah er sich genötigt, sie fortzugeben, um alle seine Schulden bezahlen zu können; denn sein Herz war mit den Begriffen von Ehre und Tugend sehr vertraut. Er befand sich also in wenig Zeit ohne Mittel, infolgedessen auch ohne Freunde. Es war ein Glück für Dscherberi, daß ihm die Natur eine Kraft und Gesundheit verliehen hatte, der die Vergnügen nichts hatten anhaben können. Als er sich nun ohne Hoffnung auf Hilfe sah, wurde er Lastträger; und es währte nicht lange, so wurde er allen Männern dieses Gewerbes in Bagdad dank der erstaunlichen Lasten, die er tragen konnte, seiner Klugheit und des Frohmutes wegen, mit dem er seine Arbeit verrichtete, vorgezogen. Denn dem Rate seines Vaters, niemals am Abend vorher zu bedenken, was er anderen Morgens tun solle, fügte er die Norm hinzu, am Tage zu vergessen, was er am Abend vorher getan hatte. So dauerte es nicht lange, und er war der glücklichste Mensch in der Stadt. Seine Arbeit machte ihm keine Mühe; er hing nicht mehr von den Freuden ab, deren Sklave er gewesen war, und erkannte die Falschheit seiner Freunde. Man achtete ihn in seinem Stande, und er erarbeitete sich nur so viel, als er für seinen Lebensunterhalt nötig hatte; er besaß keine Frauen, keine Kinder, war nüchtern und war eben der glücklichste aller Muselmänner.
    Als er nun inmitten der Nacht von einem Landhause zurückkam, wohin er eine Last gebracht hatte, hörte er, wie er an dem Ufer des Tigris entlang ging, die Stimme einer Frau, die in der Stromesmitte sein konnte; die aber rief: ›Im Namen Allahs, helft mir!‹ Der Ton dieser Stimme war so kläglich, daß Dscherberi keinen Augenblick zögerte, seine Kleider von sich zu tun. Er fing an zu schwimmen und war glücklich genug, die Unglückliche in dem Augenblicke zu retten, als sie noch über Wasser zappelte und die Kräfte sie zu verlassen anfingen; trotz der reißenden Strömung brachte er sie ans Land. Und als sie sich ein wenig von ihrem Schrecken erholt hatte, bat sie ihn, sie bis nach ihrem Hause zu begleiten, das sie ihm bezeichnete. Dscherberi willigte darein. Er hörte, bei ihrer Tür ankommend, weinende Kinder nach ihrer Mutter rufen. Sie traten in das Haus ein; die Frau, die er soeben gerettet hatte, schien Dscherberi von bezaubernder Schönheit zu sein; sie ließ ihn niedersitzen, fachte ein Feuer an, um seine Kleider zu trocknen, und erzählte ihm ihre Geschichte, die sie tausendmal unterbrach, um ihm das Übermaß ihrer Dankbarkeit zu beweisen:
    ›Es mögen ungefähr sechs Monate her sein, daß eine alte Frau in mein Haus trat und zu mir sagte: ›Ich habe es niemals versäumt, die Gebete anzuhören, die man in der großen Moschee hält; doch heute sind mir Geschäfte dazwischengekommen, die mich an meiner Reinigung gehindert haben: du weißt, daß ich nicht in die Moschee gehen kann, wenn ich diese Vorschrift nicht erfüllt habe. Ich bitte dich daher,‹ fuhr sie fort, ›mir einen Topf mit Wasser zu leihen.‹ Ich gewährte ihr die Bitte; sie reinigte sich, begab sich in die Moschee und kam dann, um mir zu danken. Ich wollte sie zum Essen dabehalten, denn meiner Ansicht nach konnte ich nichts Besseres tun, als eine Frau, die mir so fromm zu sein schien, an mein Haus zu fesseln und sie zu bestimmen zu suchen, für meinen abwesenden Mann zu beten. Doch schlug sie es mir mit den Worten ab: ›O meine Tochter, ich will zu Allah beten, daß er dich für die Freude, die du mir gemacht hast, belohnt; aber es schickt sich nicht für eine Frau in meinem Alter, außer Hause zu essen!‹ Nachdem sie mich tausendmal gesegnet hatte, verließ sie mich. Seitdem ist sie alle Freitage gekommen, um mich zu besuchen; nach ihrer Gewohnheit nun kam sie vorgestern und sagte zu mir: ›Du hast mir so oft vorgeschlagen, einige Zeit bei dir zu verbringen; wenn du willst, nehme ich deine Einladung für heute abend an; ich esse dann mit dir, und wir bringen die Nacht hin, zu Allah um die Rückkehr deines Gatten zu beten; indessen knüpfe ich die Bedingung

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