Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
daran, daß wir morgen mit dem frühesten aufbrechen und du mit mir nach einem Landhause kommst, wo man eine meiner Verwandten verlobt. Ich verpflichte mich noch, dich wieder nach Hause zu bringen!‹ Ich willigte in ihren Vorschlag ein, wir brachen bei Tagesanbruch auf, fanden ein Boot, das uns erwartete, um uns über den Tigris zu setzen, und kamen in eine spärlich bewohnte Gegend. Ein gebrechlicher und sehr schlecht gekleideter Alter fand sich beim Anlegen unseres Bootes ein und führte uns nach einer Schäferei, wo wir ungefähr ein Dutzend Frauen versammelt vorfanden. Trotz des höflichen Empfangs, den sie mir beim Eintreten bereiteten, machte mich alles, was ich bemerkte, argwöhnisch und überzeugte mich, daß mich die Alte getäuscht hatte. Ich fragte sie voller Unruhe, wann denn die Hochzeit sein sollte, die sie mir angekündigt habe. Sie versicherte mir, daß sie abends stattfinden würde, wenn die Liebhaber aller Mädchen, die ich sähe, angekommen wären. ›Dann‹, fügte sie hinzu, ›wollen wir zusammen essen und Wein trinken, und du sollst den zum Schatze nehmen, der dir am besten gefällt!‹ Es bedurfte für mich keiner Erklärung mehr, um zu verstehen, in welchen Abgrund des Unglücks mich die niederträchtige Alte gestürzt hatte. Doch bezwang ich meinen Schmerz und verbarg meine Unruhe, wandte mich aber zu Allah und vertraute ihm das Geheimnis meines Herzens an: ›Du, der du Unschuldige und Betrübte beschirmst, befreie mich aus der grausamen Lage, in die ich mich versetzt sehe!‹ Solches Gebet zerstreute meine Erregung, und ich sagte zu der Alten mit größerer Leichtigkeit des Verstandes: ›Ich bin dir sehr dankbar, daß du mich an einen Ort geführt hast, wo ich Freuden finden soll, die ich in meiner Einsamkeit nicht erwarten konnte.‹ Diese Rede täuschte die Alte; und wir sprachen den Rest des Tages nur von den bevorstehenden Nachtvergnügen. Als die Sonne untergegangen war, sah ich von verschiedenen Seiten ungefähr zwanzig Diebe ankommen, die fast alle verstümmelt waren. Sie grüßten die Alte und fragten sie, warum sie so lange Zeit sie nicht aufgesucht hätte; sie entschuldigte sich mit der Mühe, die sie sich gegeben habe, mich ihnen zuzuführen. Dann zeigte sie mich ihnen, sie aber kamen überein, daß sie ihnen niemals eine Frau gebracht, die ihnen mehr zugesagt hätte. Man trug das Essen auf und gab mir keinen anderen Platz als die Knie des Hauptmanns, auf die ich mich zu setzen gezwungen war. Ich machte keine Schwierigkeiten, ja heuchelte sogar, guter Laune zu sein, sann indessen immer auf Mittel, um dem Unglücke, das mich bedrohte, zu entgehen. Als ich sah, daß der, dem ich zugefallen war, mich ebenso verliebt in ihn wähnte, als er es in mich war, gab ich vor, hinausgehen zu müssen. Die Alte aber nahm eine Kerze, um mich aus dem Hause zu führen. ›Ich wußte es wohl,‹ sagte sie zu mir, ›daß du nicht immer zornig auf mich sein würdest; man beginnt gewöhnlich damit, sich zu ärgern, das ist so Sitte, aber du wirst mir noch guten Herzens danken.‹ Ich würdigte die Elende keiner Antwort; als ich nun sah, daß ich weit genug vom Hause entfernt war, um den Plan, den ich gesponnen, auszuführen, fand ich ein Mittel, die Kerze wie zufällig auszulöschen, und bat die Alte, hinzugehen, um sie wieder anzuzünden; sie willigte darein. Dann bin ich nach der Richtung gelaufen, wo wir gelandet waren. Und war noch nicht angelangt, als ich die Stimme mehrerer der Elenden, die mir nachgelaufen waren, hörte; die riefen, daß man ihnen nicht so leicht entschlüpfe, als ich mir einbildete. Solche Rede verdoppelte meinen Schrecken; ich nahm meine Zuflucht zu Allah und habe zu ihm gesagt: ›O Allah, du kennst die Geradheit meines Herzens, ich ziehe einen grausamen, aber tugendhaften Tod der Süße eines strafbaren Lebens vor!‹ Also sprechend, schloß ich die Augen, und da ich an einer etwas erhöhten Stelle war, stürzte ich mich in den Fluß. Du hast mich gehört und als Gottes Werkzeug gerettet. Ich werde niemals den Dienst vergessen, den du mir geleistet hast, und will vor dir immer die Ehrfurcht haben, die man vor seinem Vater hat!‹ Dann gab sie ihm einen Boetschalikteppich und reichte ihm hundert Dinare, indem sie erklärte, daß sie betrübt sei, ihm nicht mehr anbieten zu können. Dscherberi aber wollte sie nicht annehmen; um sie jedoch nicht zu beleidigen, nahm er den Boetschalik, sagte, er wäre zu glücklich, daß Allah ihn zu einer solch guten Tat ausersehen habe,
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