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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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und entfernte sich! – –‹
    ›Solches Vorgehen ist denn doch zu unwahrscheinlich von einem Lastträger,‹ sagte Hudschadsch darauf, ›du erzählst mir unglaubwürdige Geschichten!‹
    ›O mein Herr und Gebieter,‹ entgegnete Moradbak, ›ich bin nicht fähig, deine Erhabenheit zu täuschen; glaubst du denn, daß die Natur die Gefühle nach den Ständen verteilt? Was wird erst deine Erhabenheit sagen, wenn du die Empfindlichkeit eines berufsmäßigen Diebes erfährst!‹ ›Erzähle doch‹, sagte Hudschadsch und legte sich auf seinem Lager zurück.
    ›Was ich dir erzählen will,‹ fuhr Moradbak fort, ›ist in den glaubwürdigsten Geschichtsbüchern überliefert und läßt keinen Zweifel aufkommen!‹ ›Erzähle immerzu,‹ unterbrach sie Hudschadsch, ›was liegt daran, wo du es her hast!‹ Moradbak aber begann also:

Die Geschichte des Diebes von Seistan
    Leich war ein einfacher Handlanger in dem Bezirke Seistan; als er nun einsah, daß er nicht genug erübrigen konnte, um sich so zu erhalten und so zu beköstigen, wie er es wünschte, schlug er sich zu einer Diebsbande, deren Vertrauen er bald durch seinen Mut und seine Gewandtheit erlangte. Diese Bande wurde furchtbar; und bald durch ihre Erfolge kühn geworden, faßte sie den Plan, den Schatz des Sultans von Seistan, der Dirhem mit Namen hieß und Nazirs Sohn war, zu stehlen. Sie brachen die Türen auf und packten alles, was sie an Gold, Silber oder Geschmeiden forttragen konnten, in Bündel ein. Und sie wollten sich ohne irgendeinen Widerstand mit ihrer Beute zurückziehen, als Leich etwas Funkelndes bemerkte, das an der Decke hing; er zweifelte keinen Augenblick, daß solches ein kostbarer Edelstein von unschätzbarem Werte sei, und kletterte mit vieler Mühe hinauf und merkte, als er ihn mit der Zunge berührte, daß es ein Salzstein war. Da nun rief er seine Kumpane und warf ihnen das Verbrechen vor, das sie begangen hatten. Sie waren ob seiner Gewissensbisse verwundert, doch er sagte zu ihnen: ›Ich habe von des Königs Salz gegessen; wißt ihr nicht, daß Brot und Salz, die beiden größten Geschenke, welche Allah uns gemacht hat, den Menschen zur Treue dem gegenüber verpflichten, von dem er sie erhalten hat? Also beschwöre ich euch, wenn ihr meine Freunde seid, laßt alles, was ihr gestohlen habt, liegen, was ich auch tun werde.‹ Seine Kumpane ließen sich überreden und schlossen die Tore des Schatzhauses, ohne etwas mitzunehmen. Als der Schatzmeister folgenden Morgens das Schatzhaus zu besichtigen kam und aus der Unordnung, die er dort vorfand, schloß, daß man dort eingebrochen war, benutzte er die Gelegenheit und ließ alle geschnürten Bündel in seine Wohnung bringen. Darauf lief er zum Könige und sagte, sich den Bart zerraufend, zu ihm: ›O Gebieter, man hat deinen Schatz gestohlen, die Diebe haben sich die Nacht zunutze gemacht.‹ Und man versprach denen große Belohnungen, welche die Diebe angeben könnten.
    Der über den Vorfall unterrichtete Leich ahnte, wer die Verwirrung verursachte; doch als er sah, daß man nicht allein unschuldige Menschen verdächtigte, nein, ihrer auch jeden Tag festsetzte, bekam er Mitleid; und seine natürliche Billigkeit ließ ihn die Gefahr außer acht lassen, der er lief, wenn er die Wahrheit entdeckte. Er schickte sich an, vor den Wesir zu gehen, und sagte zu ihm: ›O Herr, ich kenne die Diebe des Schatzes; führe mich vor den Sultan, ich will sie ihm angeben!‹ Sogleich brachte ihn der Wesir vor den Sultan. Leich gestand ihm offen ein, was geschehen war, und schloß seine Rede, daß der Schatzmeister zweifelsohne eine Gelegenheit benutzt habe, die seinen Diebstahl verbergen konnte, und schwur, wenn der Sultan eine Hausuntersuchung bei jenem vornehmen ließe, er seinen Kopf dagegen wetten wolle, daß man dort alles am Schatze Fehlende finden würde.
    Der Sultan war betroffen ob Leichs Rede und folgte seinem Rate; man fand, daß er richtig vermutet hatte. Der Schatzmeister wurde in den Palast gebracht. Dirhem warf ihm seine Untreue vor und sagte zu ihm: ›Seit deiner Kindheit habe ich dich ernährt und mit Wohltaten überhäuft, du bezahlst sie mir indessen mit Undankbarkeit und setzest mich der Gefahr aus, Unschuldige zu verurteilen, und bestiehlst mich, während ein Dieb, dem ich niemals eine Gnade erwiesen und der nur zufällig von meinem Salz gegessen hat, alles, so er mir nahm, gelassen hat, und was mehr ist, durch sein Beispiel und seine Bitten seine Kumpane dahin brachte, nichts

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