Tausend und eine Nacht, Band 4
Gesellen, von denen er mich schlagen ließ, verhören.« Der König ließ sogleich den Pförtner des Chans, die Gesellen und Abukir selbst, letzteren gefesselt, barfuß und mit entblößtem Haupt vor sich kommen, und da die Aussage Abusirs von dem Pförtner und den Gesellen bestätigt wurde, ließ er Abukir in einen Sack mit Kalk binden und ins Wasser werfen. Abusir aber, dem der König jeden Wunsch zu gewähren versprach, erbat sich ein Schiff, um in seine Heimat zurückzukehren. Der König schenkte ihm ein eigenes Schiff mit Matrosen, die seine Mamelucken wurden, und ließ es mit den kostbarsten Gegenständen anfüllen. Er steuerte nach Alexandrien und als er hier landete, sah einer seiner Mamelucken einen zugebundenen Sack am Ufer liegen und meldete es seinem Herrn, Abusir öffnete den Sack und fand darin den Leichnam Abukirs, welchen das Meer hier ausgeworfen hatte, er zog ihn heraus und ließ ihn beerdigen und ihm einen Grabstein setzen. Abusir überlebte seinen Genossen noch um einige Jahre und als er starb, wurde er neben ihm begraben, und ihre Grabstätte wurde früher »Abukir und Abusir« genannt, später wurde dieser Platz nur »Abukir« genannt.
Zeitmond und Morgenstern.
Ein sehr reicher Kaufmann – sein Name war Abd Arrahman – hatte einen so schönen Sohn und eine so schöne Tochter, daß er ersteren Zeitmond und letztere Morgenstern nannte. Er fürchtete so sehr die List, den Neid und die Bosheit der Menschen, daß er seine Kinder bis zu ihrem vierzehnten Jahre nicht ausgehen ließ; auch nahm er keinen fremden Lehrer ins Haus, sondern unterrichtete selbst mit seiner Frau seine Kinder im Schönschreiben, Koranlesen, Mathematik und anderen Wissenschaften. Als aber Zeitmond das vierzehnte Jahr erreicht hatte, sagte seine Mutter zu Abd Arrahman: »Wie lange willst du deinen Sohn noch von der Welt trennen? Das geht wohl für ein Mädchen, aber ein Knabe muß unter Menschen leben; drum nimm ihn mit dir auf den Bazar, mache ihn mit deinen Freunden bekannt und lehre ihn den Handel. Wer weiß, ob dir nicht einmal etwas zustößt; läßt du ihn immer zu Hause eingesperrt, so wird ihn niemand als deinen Sohn anerkennen wollen, und nach deinem Tode wird sich die Regierung deine hinterlassenen Reichtümer zueignen; selbst meine Tochter möchte ich nicht länger so abgeschlossen lassen; man soll sie sehen und von ihr sprechen, vielleicht findet sich ein ebenbürtiger junger Mann, der um sie anhält.« Abd Arrahman erwiderte: »Nur meine allzu große Liebe zu meinen Kindern ist die Ursache ihrer Abgeschlossenheit; ich fürchte das böse Auge.« – »Vertraue auf Gott«, versetzte seine Gattin: »Wer unter seinem Schutze steht, hat kein Leid zu fürchten; nimm nur heute deinen Sohn mit!« Abd Arrahman ließ sich überreden und nahm seinen Sohn in einem höchst zierlichen Kleid mit auf den Bazar. Zeitmond war an diesem Tag so reizend, daß, wer ihn sah, bei ihm stehen blieb und ihn küßte. Zu Abd Arrahmans großem Ärger drängten sich immer mehr Leute zu ihm; der eine rief: »Heute ist eine neue Sonne auf dem Bazar aufgegangen;« der andere: »Heute hat sich neuer Mond gezeigt.« Abd Arrahman vermochte nichts gegen die Lobpreisungen des Volks und verwünschte nur immer seine Gattin, welche ihn beredet hatte, Zeitmond mitzunehmen.
Unter den vielen Leuten, welche Zeitmond bewunderten, war auch ein reisender Derwisch, welcher den Jüngling lange betrachtete und viele Verse rezitierte; dann näherte er sich Zeitmond und schenkte ihm einige Blumen. Abd Arrahman griff in die Tasche und gab ihm, in der Hoffnung, ihn dadurch zu entfernen, einige Drachmen; aber der Derwisch setzte sich auf den erhöhten Platz des Ladens vor Zeitmond hin, hörte nicht auf, ihn anzusehen und dabei zu seufzen und zu weinen. Alle Leute hefteten mit Erstaunen ihre Augen auf ihn; die einen riefen: »Kein Derwisch taugt etwas!« die andern: »Der Derwisch ist sterblich verliebt in den Knaben!« Abd Arrahman aber ärgerte sich so sehr darüber, daß er zu seinem Sohne sagte: »Komm, wir wollen den Laden schließen und nach Hause gehen, wir haben für heute genug gehandelt.« Dann hieß er den Derwisch aufstehen, schloß den Laden und ging nach Hause.
Aber der Derwisch folgte Abd Arrahman mit vielen Leuten bis vor seine Haustür. Da wendete er sich um und fragte ihn: »Was willst du, Derwisch, und warum weinst du so?« Er antwortete: »Ich möchte diese Nacht dein Gast sein; nimm mich auf, denn ich bin ein Gast Gottes!« – »Du bist mir
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