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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Weil
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»Wenn der König, euer Vater, hört, daß ihr den ganzen Abend in Gesellschaft eines fremden jungen Mannes zugebracht, so wird er euch und mir zürnen, darum rate ich euch, uns jetzt zu verlassen.« Als aber die Prinzessinnen sich entfernt hatten, überhäufte mich die Alte so sehr mit Schmeicheln und Liebkosungen, daß mir ganz unheimlich bei ihr zumute wurde. Noch verdächtiger wurde sie mir, als ihre Sklavin Rihana ins Zimmer trat und sie ihr zurief: »Wer hat dich hierhergerufen, du Dirne? Was hast du in diesem Zimmer zu suchen? Entferne dich eiligst und lasse niemanden ungerufen hereintreten.«
    Die Alte holte dann abermals Wein und andere berauschende Getränke herbei, und schenkte mir solange ein, bis ich einschlief. Da erschien mir Turaja im Traum, schlank wie der Zweig eines Ban, mit schmachtendem Blick wie eine nach ihren Jungen sich umsehende Gazelle; Tränen standen auf ihren Wangen wie Tautropfen auf Rosenblättern, sie hatte das Gesicht auf ihre Hand gestützt und sagte mit gebrochener Stimme: »Gleichst du auch gewöhnlichen Menschen, Ali? Konntest du mich so leicht vergessen und dich hier von einer alten Zauberin zurückhalten lassen, sollen meine Feinde an unserer Trennung schadenfroh sein? Du weißt, was ich um deinetwillen gelitten, sei nicht verzagt, zerbrich die Fesseln, die um dich geschmiedet worden, und suche unsere Vereinigung!« Bei diesen Worten öffnete ich meine Augen wieder, und die Alte, welche vor mir saß, kam mir wie eine giftige Schlange vor. Ich fing nun wieder an zu trinken, stellte mich ganz heiter und schenkte der Alten solange ein, bis sie ganz bewußtlos auf den Diwan hinsank. Jetzt machte ich mich schnell auf, öffnete leise die Tür ihres Zimmers, dann das Haustor und entfloh zur Stadt hinaus. Ich lief die ganze Nacht fort, ohne zu wissen wohin, und als der Morgen heranbrach, befand ich mich in einer Wüste, wo weder ein grünes Blättchen noch ein Tropfen Wasser zu sehen war. Bald brannte die Sonne so heiß, daß der glühende Boden meine Fußsohlen entzündete und ich kaum mehr auftreten konnte; da warf ich mich verzweifelt auf den Boden und wälzte mich den ganzen Tag in einem Meer von Tränen und Schweißtropfen umher. Nach Sonnenuntergang, als ein kühler Wind sich erhob, stand ich wieder auf und lief die ganze Nacht in der Dunkelheit umher. Am folgenden Morgen, als die Welt wieder mit ihrem Lichtgewande sich schmückte, und die belebende Sonne das Totenreich der Dunkelheit verdrängte, befand ich mich an einem so hohen Berg, daß kein Vogel sich bis zu dessen Spitze hinaufschwingen kann; er war mit allerlei Fruchtbäumen bewachsen, auf deren Zweigen die schönsten Vögel ihr Morgenlied sangen, und von vielen Bächen bewässert, die wie ein Pfeil von unsichtbarer Höhe herab sich ergossen. Ich labte mich an dem Wasser eines dieser Bäche, denn es war weißer als Milch, frischer als Schnee und süßer als Honig, und setzte mich unter einen hohen Baum, dessen volle Zweige mit ihren großen Blättern kein Sonnenstreifchen zu mir dringen ließen. Ich war so müde und schläfrig, daß ich bald einschlief, aber die Alte erschien mir im Traum mit gezogenem Schwerte, noch häßlicher als sie in Wirklichkeit war, und hob ihr Schwert auf, um mich zu töten, worauf ich vor Schrecken wieder erwachte. Da ich nicht mehr einschlafen konnte, machte ich mich auf und ging den Berg hinauf. Auf einmal erblickte ich zwei riesenhafte Gestalten vor mir, von scheußlichem Aussehen; ihre Augen standen mitten im Gesicht und waren in die Länge gespalten, und sie hatten hervorstehende Zähne, so groß wie Elefantenzähne.
    Ich hielt still und hörte, wie einer zum anderen sagte: »Hast du den Jüngling gesehen, Meischum, der dort unten schläft? Wie mag der wohl hierhergekommen sein? Ich bin in meinem Leben noch keinem menschlichen Wesen auf diesem Berg begegnet.« – »Freilich habe ich ihn gesehen, Barari«, antwortete Meischum, »es ist ein Jüngling, so schön wie der Mond, wer ihn sieht, der liebt ihn.« – »Er heißt Ali, der Sohn Farhas.« – »Wenn du wahr sprichst«, versetzte Meischum, »so bin ich am Ziel meiner Bemühungen; denn wisse, mein Freund, ich bin von der Königin Turaja ausgesandt, um Ali, ihren Geliebten, zu suchen, und habe ihr geschworen, nicht heimzukehren ohne Nachricht von ihm. Ich wandere schon so lange in allen bewohnten und wüsten Ländern, in Städten und Dörfern, auf Bergen und Tälern umher und frage Menschen und Genien nach ihm. Zuletzt hörte ich, es sei

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