Tausend und eine Nacht, Band 4
sagte: »Schämst du dich nicht, Ali, meine Speisen zu essen und meinen Wein zu trinken, und doch meinen Wünschen dich zu widersetzen? Aber bei Gott! Wärest du ein süßes Meer, und ich müßte vor Durst sterben, ich möchte keinen Tropfen von dir trinken.« Bei diesen Worten schlug sie mich ins Gesicht, hauchte mich an und schrie: »Ali, Sohn Farhas, werde eine marmorne Statue, die weder spricht, noch sonst ein Lebenszeichen von sich gibt!« und bei Gott, o Fürst der Gläubigen, kaum hatte sie diese Worte ausgestoßen, fiel ich als ein Stein auf die Erde und wußte nichts mehr von der Welt. Als ich wieder zu mir kam, stand die Alte vor mir und sagte zur Königin: »Es hängt nun ganz von deinem Willen ab, Ali hier als Statue bis zum Auferstehungstag liegen zu lassen; wenn aber deine Schwester, die Königin Turaja, kommt, und nach ihm fragt, was willst du ihr zur Antwort geben?« – »Habe ich etwa die Königin Turaja zu fürchten?« erwiderte die Königin; »sind meine Truppen nicht zahlreich wie der Sand des Meeres und die Regentropfen des Himmels? Sind nicht die mächtigsten Genienhäupter dieser Insel meine Bundesgenossen?« Als die Alte merkte, daß die Königin so von Liebe und Ärger erfüllt war, daß ihre Worte keinen Eingang fanden, sagte sie: »Du hast mehr Einsicht, als ich, mächtige Königin, tu, was dir gut dünkt.« Die Königin befahl dann zweien ihrer Diener, mich, abgelegen vom Weg, an eine Stelle des Wes zu tragen, wo die Bäume so dicht ineinander verzweigt sind, daß kein Sonnenstreifchen durchdringen kann, und verbot ihnen bei Todesstrafe, mit jemand über diesen ganzen Vorfall zu sprechen. »Wenn Turaja nach ihm fragt«, sagte sie zur Alten, »so sagen wir, er sei gegen unseren Willen allein ausgegangen und nicht wiedergekehrt.« Die Diener trugen mich dann fort und die Königin kehrte vergnügt zur Stadt zurück. Die Königin Turaja wollte eben mit Meischum, der, wie ich schon erzählt habe, mich bei Barari auf dem waldigen Berg zurückgelassen hatte, abreisen, als Humarich mit dem Brief der Königin Schuhba eintraf. Sie erbrach hastig den Brief ihrer Schwester, und als sie darin die Nachricht von meiner Ankunft las, fragte sie den Boten, ob er mich mit eigenen Augen gesehen, und als er bei ihrem Leben schwor, er habe mich bei der Königin gesehen, nahm sie ihn freundlich auf und ließ sogleich ihren Truppen den Befehl erteilen, daß sie sich zum Aufbruch nach der Grenzeninsel, wo die Königin Schuhba residierte, rüsten. Jedermann erstaunte über diesen Befehl, denn zwischen Turaja und Schuhba herrschte seit ihrer frühesten Jugend ein bitterer Haß. Sie waren nämlich die einzigen Töchter des Königs Farkad, und jede von ihnen wollte am meisten von ihrem Vater geliebt sein. Auch behauptete jede von ihnen, es in der Zauberkunst, die sie ihr Vater Jemen ließ, am weitesten gebracht zu haben. Ihre gegenseitige Eifersucht war zuletzt so groß, daß sie einen Tag bestimmten, wo sie auf einem öffentlichen Platz im Angesicht der ganzen Stadt ihrer langen Fehde durch einen Zweikampf ein Ende setzen wollten. In diesem Kampf wurde Schuhba tödlich verwundet, ja man trug sie sogar ganz leblos vom Kampfplatz. Der König Farkad, in dessen Abwesenheit alles dies vorgefallen war, kehrte eben von einer Reise zurück, als man seine Tochter Schuhba in ihr Schloß brachte; er ließ sogleich die besten Ärzte rufen und war außer sich vor Freude, als sie die Wunde für nicht lebensgefährlich erklärten. Schuhba öffnete die Augen wieder, sobald die Ärzte ihre Wunde mit einem Pulver bestreuten und ihr etwas Wein eingossen, und nach einigen Wochen war sie wieder vollkommen geheilt. Aber der Gedanke, von ihrer verhaßten Schwester vor den Augen aller Großen des Reiches und aller Häupter der Armee besiegt worden zu sein, drückte sie so sehr, daß sie gar nicht mehr auszugehen Lust hatte, und der Aufenthalt in ihrer Heimat ihr unerträglich wurde. Sie bat daher ihren Lehrer, ihr eine entfernte Insel auszusuchen, wo sie mit ihren Getreuen ein neues Reich gründen könne. Ihr Lehrer sandte sogleich die ihm ergebenen Genienhäupter auf Kundschaft aus; sie durchstreiften alle Länder der Welt und fanden keinen angenehmeren, noch unbewohnten Aufenthaltsort, als die Insel, welcher sie wegen ihrer Fruchtbarkeit und reizenden Lage den Namen Vollkommenheitsinsel gaben. Als sie mit dieser Nachricht zu ihm zurückkehrten, befahl er ihnen, sich mit ihren Truppen zur Reise vorzubereiten, dann begab er sich zum König
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