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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Weil
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Abendländer auf einem Maultier zu mit geritten kam, das so leicht wie ein Spatz daherschoß; die Füße dieses Tieres waren zwar so stark wie die Pfeiler eines Tempels, aber dennoch schien es wie ein Vogel in der Luft zu schweben. Der Abendländer war sehr vornehm gekleidet und sah wie ein Emir aus. Friede sei mit meinem Herrn, dem Pilger! [Fußnote: Ein Beiname, der vielen Muselmännern gegeben wird, auch wenn sie nie in Mekka waren.] rief er mit zu, als er abgestiegen war. Ich antwortete ihm: Mit dir sei der Friede Gottes, sein Segen und seine Barmherzigkeit! Er fragte mich dann: Warum sitzest du so verzweifelt da? Ist dir jemand gestorben, oder ist eines deiner Schiffe untergegangen? – Keines von beiden, mein Herr Pilger, antwortet ich. Er fragte dann: Bist du nicht Djaudar, der Sohn des Fischers Omar aus Kahirah? Ich sah ihn erstaunt an und sagte: Ja. Er fragte mich dann nochmals, warum ich denn so niedergeschlagen aussehe? Ich klagte ihm meine und meiner Mutter Armut und die schlechte Aussicht, die mir die Fischerei gewährte. Als der Abendländer dies hörte, lachte er, nahm eine seidene Schnur, die, um recht stark zu werden, drei Tage in Kamelmilch eingeweicht war, aus dem Quersack, der auf seinem Maulesel lag, und sagte: Höre mir zu, Djaudar, deine Armut soll bald verschwinden; binde mich mit dieser Schnur und wirf mich in den See, breite dann dein Netz über mich aus, und streue etwas Weißes, das die Fische herbeilockt, hinein, komme ich mit dem Kopf zuerst aus dem Wasser, so wisse, daß ich tot bin, du beerdigst mich dann am Ufer des Sees, und führst mein Maultier auf den Bazar, hüte dich aber, darauf zu reiten, sonst ist es um dich geschehen. Du wirst auf dem Bazar einen erhöhten Punkt zu deiner Linken bemerken, dort sitzt in einem Laden ein Jude, der den größten Schnurrbart auf dem ganzen Bazar hat, nähere dich ihm, und lege deine Hand auf seinen Kopf, er wird sogleich aufstehen, dir den Maulesel abnehmen und einen goldenen Dinar schenken, nimm ihn und geh deines Weges; komme ich aber lebend aus dem See, so sollst du reichlich beschenkt werden. Als der Abendländer so gesprochen hatte, reichte er mir seine Schultern her, woraus ich sah, daß er nicht bloß scherzte, sondern wirklich gebunden sein wollte; ich tat seinen Willen und warf ihn an der Stelle, die er mir bezeichnete, in den See.
    Es dauerte nicht lange, so kam des Abendländers Kopf in die Höhe, seine Zähne waren fest zusammengeschlossen und seine Augen erloschen. Ich zog ihn aus dem See und beerdigte ihn am Ufer desselben. Dann machte ich mich auf, nahm mein Netz auf den Rücken und den Zaum des Maulesels in die Hand und führte ihn zu dem Juden, den mir der Abendländer bezeichnet hatte, wofür ich einen Dinar erhielt. Ich ging vergnügt zu meiner Mutter, zeigte ihr meinen Dinar und erzählte ihr, auf welche Weise ich dieses Geld erworben hatte. Sie hörte mir mit Erstaunen zu, und bedauerte den Abendländer, der sich selbst in das Grab gestürzt. Am folgenden Morgen ging ich wieder mit meinem Netz an den See Karun und warf es zweimal aus, ohne etwas zu fangen. Eben wollte ich es zum drittenmal auswerfen, da kam wieder ein Abendländer in einem ebenso reichen Aufzug, wie der erste; sein Maultier hatte eine Decke von grüner Seide über dem Sattel, einen goldenen Zaum im Mund und eine Kette am Hals, an welcher die kostbarsten Edelsteine funkelten. Ich erschrak, als ich ihn sah, und glaubte, er werde den Tod seines Bruders an mir rächen wollen; er grüßte mich und fragte: Bist du Djaudar, der Sohn des Fischers Omar? – Bewahre Gott, mein Herr Pilger, antwortete ich; ich bin nicht Djaudar und weiß nichts von ihm. Kaum hatte ich ihm diese Antwort gegeben, stieg er von seinem Maultier ab, packte mich am Hals, daß ich glaubte, er reiße mir ihn herunter, sein Gesicht war rot, seine Augen sprühten Feuer und seine Lippen waren kohlschwarz. Sagst du mir nicht die Wahrheit, schrie er mich an, so bist du des Todes! Da rief ich: Gnade, mein Herr Pilger, ich bin Djaudar, der Sohn des Fischers Omar aus Kahirah. – Und warum, elender Mensch, sagte er, verleugnest du deinen Namen und deine Abkunft? Bei Gott! Hättest du noch einen Augenblick länger gezögert, mir die Wahrheit zu gestehen, du wärest schon bei den Toten. Doch sage mir jetzt, war nicht gestern ein Abendländer hier, der sich von dir binden und in den See werfen ließ? – Allerdings, mein Herr Pilger, antwortete ich, aber ich bin nicht an seinem Tod schuld, denn er hätte

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