Tausend und eine Nacht, Band 4
treibe er das Fischerhandwerk, es wird ihm Segen bringen, er wird ein Fischernetz in einer Schachtel in meinem Schrank finden.«
»Drei Tage, nachdem er so zu meiner Mutter gesprochen«, – so erzählte der Jüngling – »nahm der Herr seine Seele zu sich; wir trauerten um ihn, beerdigten ihn, und meine Mutter befolgte alles, was er ihr anbefohlen hatte. Sobald ich aber im Besitz der hundert Dinare war, brachte ich einen Tag in Bulak und den anderen auf der Insel Rhoda bei Matrosen zu, arbeitete aber nichts, sondern ließ mir trotz der Warnungen meiner Mutter Ruhe und gute Kost wohl schmecken, so daß nach drei Monaten mir gar nichts mehr übrig blieb. Ich ging zu meiner Mutter und klagte ihr meine Armut und Not. Da sagte sie: Wie oft habe ich dich vor schlechter Gesellschaft gewarnt, du hast mir aber kein Gehör gegeben. – Niemand entgeht eben seinem Verhängnis, versetzte ich; doch was geschehen ist, ist geschehen, gib mir jetzt Geld, daß ich mir etwas zu essen kaufe. – Meine Armut ist nicht geringer als die deinige, erwiderte meine Mutter; ich habe nicht so viel, um ein Laibchen Brot, oder auch nur ein Senfkörnchen dafür zu kaufen, auch habe ich gar nichts in meinem Haus, darum befolge jetzt den Willen deines Vaters und werde Fischer. Ich öffnete die Schachtel, welche mir mein Vater hinterlassen, nahm das Netz heraus, sagte: Wir sind Gottes und kehren einst wieder zu ihm zurück, nahm Abschied von meiner Mutter und ging nach Altkahirah; dort bestieg ich einen Kahn, schiffte im Vertrauen auf Gott mit ausgeworfenem Netz umher, aber so oft ich es heraufzog, war es leer, obschon ich es an verschiedenen Plätzen versuchte, die selten ohne Fische sind. Ich wurde besonders wegen meiner armen Mutter sehr betrübt darüber und weinte mir fast die Augen aus dem Gesicht. Ich legte dann mein Netz zusammen und wollte es den Fischern verkaufen oder verpfänden, aber kein einziger wollte mir etwas dafür geben. Da ich mich noch nicht zum Betteln entschließen konnte, ging ich mit meinem Netz nach einem kleinen See, Karunssee genannt, der manchmal ganz seicht ist. Diesmal fand ich ihn aber bis herauf angefüllt, und er kochte und schäumte wie Wasser in einem über Feuer stehenden Topf. Da dachte ich, vielleicht bin ich hier glücklicher, als am Nil und warf mein Netz aus. Als ich es aber wieder heraufzog, war es mit Steinen und allerlei Unrat gefüllt. Ich reinigte es mit vieler Mühe und warf es wieder aus, fand aber gar nichts darin. Da dachte ich, jetzt versuche ich mein Glück noch einmal, und bringt mir mein Netz auch diesmal keinen Fisch, so gebe ich das Fischerhandwerk auf. Als ich aber das Netz zum dritten Male heraufzog, sprang ein Fisch darin herum, der über drei Pfund schwer war; ich legte das Netz zusammen, brachte den Fisch meiner Mutter und erzählte ihr, wie es mir am Nil so schlecht gegangen, wie ich hingegen am Karunssee ganz unverhofftes Glück hatte. So geht es, mein Sohn, sagte meine Mutter, der Lebensunterhalt wird den Menschen von Gott beschert; auch hat ein sehr weiser Mann gedichtet:
»O Mensch, der du deinen Lebensunterhalt in der Ferne suchst, laß ab von deinen Anstrengungen, denn du erhältst doch nur, was dir bestimmt ist. Die Glücksgüter wenden sich häufig dem zu, der sie gar nicht sucht, während sie den fliehen, der ihnen nachjagt.«
Darum, fuhr meine Mutter fort, darf der Mensch nie den Mut verlieren; Gott vergißt niemanden. Meine Mutter nahm mir dann den Fisch ab, reinigte ihn und ließ ihn braten, wir verzehrten ihn mit vielem Appetit und dankten Gott dafür. Am folgenden Morgen nahm ich wieder mein Netz auf die Schultern und wollte damit nach Bulak gehen, aber meine Mutter sagte mir: Geh lieber wieder an den See Karun, und solltest du auch nur einen Fisch dort fangen, das genügt uns ja, bis uns Gott auf sonst eine Weise hilft, oder uns den Tod sendet. Ich gehorchte meiner Mutter und ging nach dem See Karun und warf daselbst mein Netz aus. Als ich es heraufzog, war es wieder mit Steinen, Knochen und Scherben angefüllt; da dachte ich, welch ein schlimmes Geschick verfolgt mich, ich glaube, daß, wenn ich vom Wasser des Meeres trinken wollte, es sich in Feuer verwandeln, daß, wenn ich am Lauf der Sonne mich freute, sie auf einmal stille stehen, und daß, wenn ich stromabwärts segelte, das Wasser plötzlich seiner Quelle entgegenströmen würde. Ich saß nun eine Weile am Ufer des Sees, die Wange auf meine Hand gestützt, verzweiflungsvoll da, als auf einmal ein
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