Tausend und eine Nacht, Band 4
auch sie war in ihrer Art so vollkommen schön, daß wir unmöglich alle ihre Reize schildern können: Am bewundernswertesten war aber ihr schlanker Wuchs, ihr Ebenmaß, ihre würdige und doch zierliche Haltung. Als sie vor dem Jüngling stand, sagte sie. Mein Herr, du hast uns heute lange das Vergnügen deiner Gesellschaft entzogen; wo bleibst du denn so lange? – Ich habe mich bei meinen Gästen hier aufgehalten, antwortete der Jüngling; bringe uns doch etwas zu trinken. Seelenlust entfernte sich einen Augenblick und kehrte dann mit zwei Sklavinnen wieder, welche goldene Kannen, silberne Becher, kristallene Gläser und chinesische Tassen brachten.
»Seelenlust füllte den Becher mit Wein, die Gläser mit allerlei wohlriechenden Blumen und die Tassen mit den ausgesuchtesten trockenen Früchten. Wir waren über diesen Luxus so erstaunt, daß wir uns auf die Finger bissen und dachten: Wachen oder träumen wir? – Hierauf wandte sich der Jüngling nach einer anderen Mir und rief. O Seligkeit! Da erschien ein Mädchen wie der Mond, mit leuchtender Stirne, zartroten Wangen, einem Blick, schneidender als das schärfste Schwert, und einem Wuchs, wie die Zweige des Ban; sie war wie eine Braut geschmückt und hatte eine indische Laute in der Hand. Was wünscht mein Herr? fragte sie den Jüngling. Setze dich antwortete er, und spiele meinen Gästen etwas vor! Da fing sie so schön zu spielen und zu singen an, daß wir glaubten, das ganze Haus müsse mit uns umhertanzen. Nach dieser rief der Jüngling noch vier andere Mädchen, deren jede ein anderes Musikinstrument mitbrachte, und so verging uns ein Abend bei Wein, Gesang und Musik, wie wir noch keinen erlebt hatten. Das Wunderbarste aber war: Als wir uns entfernen wollten, überreichte uns der Jüngling eine goldene und eine silberne Schüssel, mit den besten gekochten Speisen und Früchten für unsere Familie gefüllt, und lud uns auf den folgenden Abend wieder ein. Wir küßten ihm Hände und Füße, dankten für seine Gastfreundschaft und versprachen, wieder zu kommen. Am folgenden Abend nahmen wir die beiden Schüsseln unter das Oberkleid und begaben uns wieder in das Haus des reichen Jünglings. Er nahm uns so freundlich wie am vorigen Tage auf und bewirtete uns wieder auf dieselbe Weise und so folgten noch achtundfünfzig Tage, die wir nie vergessen werden, immer feinere Speisen, bessere Weine und schönere Mädchen, deren Schmuck mehr wert war, als alle Einkünfte Ägyptens. Der junge Mann entfaltete vor uns einen solchen Reichtum, daß wir zuletzt mißtrauisch wurden und dachten, so viel kann nur ein Dieb oder Zauberer besitzen, darum, edler Emir, sind wir hierhergekommen, um dich auf diesen Jüngling aufmerksam zu machen.«
Der Polizeipräfekt ließ sich des Jünglings Haus zeigen, und am folgenden Tag ließ er es von hundert Mamelucken umzingeln, trat mit einem Offizier hinein und forderte ihn auf, ihm zum Sultan, dem König Zaher Beibars, zu folgen. »Recht gern«, antwortete der Jüngling; er schloß seine Wohnung, steckte den Schlüssel ein und ging mit dem Polizeipräfekten hinaus. Unterwegs sagte ihm dieser: »Mache mich mit deinen Verhältnissen bekannt, und sage mir, wie du zu so unermeßlichen Reichtümern gelangt bist, ich werde dir dann vor dem Sultan beistehen.« – »Ich bedarf nur Gottes Beistand«, erwiderte der Jüngling, »ich will meine ganze Lebensgeschichte dem Sultan selbst mitteilen.« – Vor dem Sultan angelangt, begann er also:
»Höre, o mächtiger Sultan, als mein Vater in einem Alter von fünfundsechzig Jahren von einer gefährlichen Krankheit befallen wurde, sagte er zu meiner Mutter: Mutter Djaudars! – So nannte er nämlich meine Mutter, welche außer mir kein Kind gebar – wisse, daß ich dem Tod nahe bin (gepriesen sei der, welcher allein ewig lebt!) und aus dieser vergänglichen Welt scheide, um in eine bessere und ewigdauernde hinüberzuwandern. Ich danke Gott dafür, daß er mich bis zu meinem Tod gesund und rüstig erhalten und mir stets die Mittel gegeben, dich und meinen Sohn Djaudar zu ernähren. Meine Ersparnisse sind leider nicht groß, ich hinterlasse nur hundertundzehn Dinare an Geld; gib hundert Dinare meinem Sohne und zehn Dinare verwende für mein Leichengewand, für Begräbniskosten, Koranlesen und dergleichen. Mein Sohn soll mit den hundert Dinaren irgend einen Handel treiben, um nicht arm zu werden, denn wer in Ägypten kein Geld hat, wird auch für gar nichts geachtet; sollte er aber je arm werden, so
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