Tausend und eine Nacht, Band 4
mußte ich gegen manchen beleidigten Werber ins Feld ziehen. Eines Tages kam ein Bote mit einem Brief zu meinem Vater, welcher folgendermaßen lautete: Von dem König Sintbest, dem höchsten König seiner Zeit! Wisse, König Sasan, daß ich so viel von der Tapferkeit und Schönheit deiner Tochter gehört habe, daß ich sie liebe, ohne sie je gesehen zu haben, und sie daher von dir zur Gattin fordere. Ich hoffe, du wirst einen Schwiegersohn meinesgleichen nicht verschmähen, Fordere, welche Morgengabe du willst, antworte mir nur bald und sei von mir gegrüßt.
»Als mein Vater diesen Brief gelesen hatte, kam er mit dem Boten zu mir und las mir ihn vor. Da sagte ich: Laß mich einmal den Brief sehen. Als er mir aber den Brief gab, zerriß ich ihn und zog mein Schwert gegen den Boten, und wäre er nicht schnell geflohen, so hätte ich ihm den Kopf vom Hals gehauen. Der Bote kehrte zu Sintbest zurück und erzählte ihm, wie er von mir behandelt worden. Sintbest rief sogleich den Geist Dilhudj und befahl ihm, mich im Augenblick aus meinem väterlichen Haus zu ihm zu führen. Ich saß gerade allein in meinem Zimmer, als Dilhudj, der so groß war wie der höchste Dattelbaum, auf mich losstürzte, und ehe ich mich faßte hatte er mich schon auf dem Rücken und flog mit mir zum König Sintbest. Dieser schrie mich an: Wie wagtest du es, elende Dirne, meinen Brief zu zerreißen und meinen Boten zu mißhandeln? Weißt du nicht, daß die mächtigsten Könige sich vor mir beugen, und daß selbst Genienhäupter mich fürchten? Als ich mich aber entschleierte und er mein Gesicht sah, fuhr er in einem sanfteren Ton fort: Doch ich verzeihe dir, wenn du meine Liebe erwidern und meine Gattin werden willst. – Lieber lasse ich mich in Stücke hauen, versetzte ich, als daß ich deine Umarmung dulde. Als er dies hörte, schlug er die Zähne übereinander und befahl Dilhudj, der noch immer an der Tär stand, mich nach der Adlerschlucht zu tragen. Ich bin nun schon zwanzig Jahre hierher gebannt, und der Geist Dilhudj bringt mir jeden Tag meine Nahrung. Ich hatte schon alle Hoffnung verloren, je wieder meine Freiheit zu erlangen, als vor zehn Tagen mir im Traum ein alter Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen erschien, der mir zurief: Freue dich, Heifa, die Stunde der Erlösung ist nahe, der Tyrann Sintbest liegt in den letzten Zügen, du kannst bald in deine Heimat zurückkehren und den Thron deines Vaters, der schon längst tot ist, besteigen. Habe nur noch Geduld, bis zwei Männer hierherkommen; der eine heißt Mahmud aus Tunis und der andere Djaudar aus Kahirah, und stehe ihnen bei, daß sie in den Besitz des Zauberschwertes und des heiligen Buches gelangen, sie werden dann auch dich in deine Heimat zurückbringen. Nun wißt ihr, wer ich bin, folget mir jetzt und tut, was ich euch rate. Bei diesen Worten zog sie einen goldenen Schlüssel aus einer Tasche und öffnete den Saal, vor welchem sie saß. Er war ungeheuer groß und ringsum mit Divanen belegt, auf welchen Könige saßen mit Kronen von den kostbarsten Edelsteinen auf dem Haupt. Jeder hatte eine goldene Kette um den Hals, an welcher eine silberne beschriebene Tafel hing. Wie kommen so viele Könige hierher? fragte ich Heifa erstaunt, leben sie oder sind sie tot? – Du siehst hier nur Leichen, antwortete Heifa (gepriesen sei Gott, der allein Unsterbliche!), es sind Könige, Söhne von Königen, denen sogar Könige als Sklaven dienten. In der Mitte des Saales war ein Springbrunnen mit vier goldenen Löwen, über welche sich vier Pfauen aus Perlen und Edelsteinen erhoben, und den Löwen gegenüber standen vier messingene Statuen, deren jede eine Trompete an den Mund hielt. Neben diesen Statuen befanden sich vier griechische Sklavinnen mit Tamburinen aus Gazellenhaut und vier Fränkinnen mit Lauten. Die Mädchen sahen aber so frisch aus, daß man sie für lebendig hielt und glaubte, sie müßten sprechen. Um den Springbrunnen herum standen Stühle, auf denen Könige saßen, aber ein schönerer und höherer Stuhl stand leer da. Dies ist der Stuhl des Königs Sintbest, sagte Heifa und bat mich, darauf Platz zu nehmen. Sobald ich mich niederließ, drehten sich die Löwen dreimal im Ring herum, standen auf, wedelten, streichelten und leckten mich, die Pfauen sperrten den Schnabel auf und verbreiteten die feinsten Wohlgerüche aus ihrem Mund, die messingenen Statuen verbeugten sich und die Sklavinnen fingen an auf ihren Instrumenten zu spielen. Ich blieb sitzen und hörte ihnen zu, bis
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