Tausend und eine Nacht, Band 4
verdient, gehängt zu werden. Der Herr läßt seinen Geschöpfen kein Unrecht widerfahren.
Der zweimal bestohlene Geldwechsler.
Ferner wird erzählt: Ein Geldwechsler, der einen Beutel mit Gold bei sich hatte, ging einst vor einer Bande Spitzbuben vorüber; da sagte einer von ihnen: »Wenn ich will, so ist dieser Beutel mein.« Sie fragten: »Wieso?« Er antwortete: »Ihr sollt es bald sehen.« Er folgte dem Geldwechsler, welcher, in seinem Haus angelangt, den Beutel auf eine Bank warf und in den Hof ging. Er rief dann seiner Sklavin, sie möchte ihm das Waschbecken bringen; sie ging mit dem Waschbecken in den Hof und ließ die Tür des Zimmers, in welchem der Beutel war, offen. Der Dieb benutzte diesen Augenblick, stahl den Beutel, ging damit zu seinen Freunden und erzählte ihnen den Erfolg seiner Unternehmung. Da sagten ihm seine Freunde: »Wahrlich, was du hier getan, kann jedermann tun, doch wenn jetzt der Geldwechsler aus dem Hof kommt und seinen Beutel nicht findet, wird er die Sklavin dafür bestrafen; wahrlich, du hast nichts Lobenswertes vollbracht; bist du ein geschickter Dieb, so mußt du dafür sorgen, daß die Sklavin nicht geschlagen werde.« Er sagte: »Gut, das will ich.« Der Dieb ging sogleich in das Haus des Geldwechslers zurück, und er hörte vor der Tür, wie dieser seine Sklavin wegen des Beutels bestrafte. Er klopfte an der Tür, und als der Geldwechsler ihn fragte, wer er sei, sagte er: »Ich bin der Diener deines Nachbarn auf dem Bazar, der dich grüßen und dich fragen läßt, warum du auf einmal so leichtsinnig geworden, daß du deinen Beutel vor die Tür deines Ladens hinwirfst und fortgehst, so daß, wenn ihn ein Fremder genommen hätte, er für dich auf immer verloren geblieben wäre.« Er zog bei diesen Worten den Beutel heraus und zeigte ihn dem Geldwechsler. Dieser sagte: »Bei Gott, wahr, hier ist mein Beutel!« Und er streckte seine Hand danach aus, um ihn zu nehmen. Aber der Spitzbube sagte: »Bei Gott, ich gebe dir ihn nicht, bis du mir einen Empfangsschein schreibst und dein Siegel darauf drückst, damit ich meinen Herrn überzeugen kann, daß ich ihn dir überliefert.« Der Geldwechsler ging in sein Kabinett, um ihm den verlangten Schein zu schreiben; aber unterdessen lief der Dieb mit dem Beutel davon und die Sklavin hatte keine Strafe mehr zu befürchten.
Der fromme Israelit.
Ferner wird erzählt: Einst lebte ein frommer Mann unter den Söhnen Israels, der stets Gott anbetete und dessen Familie sich von ihrer Hände Arbeit ernährte. Er verkaufte nämlich jeden Tag die gesponnene Baumwolle und kaufte dafür rohe ein, und lebte so von dem Gewinn mit seiner Familie. Eines Tages, als er die Baumwolle verkaufte, traf er einen Freund, der in solcher Not war, daß er ihm das eben gelöste Geld schenkte und zu seiner Familie ohne rohe Baumwolle und ohne Lebensmittel zurückkehren mußte. Als er seiner Familie erzählte, daß er all sein Geld einem unglücklichen Freund geschenkt, fragten sie: »Was fangen wir nun an?« Da nahm der Mann einen alten Wasserkrug und eine alte Mütze, die er noch im Haus hatte, und ging damit auf den Markt, aber niemand wollte sie kaufen. Endlich ging ein Mann mit einem übelriechenden Fisch vorüber und sagte ihm: »Willst du mir deine ungangbare Ware für die meinige geben?« Der Israelit willigte ein, gab ihm den Wasserkrug und die Mütze, und ging mit dem Fisch zu seiner Frau und sagte: »Brate diesen Fisch, daß wir doch einstweilen nicht hungern, bis uns Gott das weitere beschert.« Da spaltete die Frau den Fisch, und siehe da, es war eine Perle darin, die nicht durchlöchert war. Am folgenden Morgen ging der Israelit damit zu einem sachverständigen Freund, um sie ihm zu zeigen. Dieser fragte den Israeliten, woher er diese Perle habe. Er antwortete: »Gott hat sie mir beschert.« – »Nun«, sagte der Freund, »sie ist tausend Drachmen wert, die ich dir gern dafür geben will; doch geh lieber damit zu N. N., der reicher ist als ich.« Der Israelit ging damit zu dem bezeichneten Mann und dieser sagte: »Sie ist 70.000 Drachmen wert, mehr nicht.« Der Israelit ließ sich das Geld geben und rief zwei Lastträger, die es ihm bis zur Tür seiner Wohnung trugen. Als er hier anlangte, kam ein Bettler und sagte: »Gib mir auch etwas von dem Geld, das dir Gott beschert!« Der Israelit antwortete: »Gestern war ich ebenso arm, als du, nimm daher die Hälfte dieses Geldes.« Nachdem nun der Israelit das Geld in zwei Teile geteilt hatte und dem Bettler
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