Tausend und eine Nacht, Band 4
nannte, warf er sich ihm in die Arme und sagte: »Bei Gott, du bist mein Bruder!« Sie erzählten dann einander noch vieles, was ihnen in der Jugend widerfahren, und ihre Mutter hörte allem zu, aber sie nahm sich zusammen und verriet sich nicht. Als der Morgen leuchtete, sagte ein Bruder zum andern: »Laß uns jetzt nach Hause gehen und zu Hause weiter plaudern.« Bald nachher kam der Kaufmann wieder und fand seine Frau sehr angegriffen. Er fragte sie, was ihr zugestoßen. Sie antwortete: »Du hast mir diese Nacht zwei Männer geschickt, die von mir etwas Schlechtes wollten, so daß ich sehr aufgebracht gegen sie bin.« Der Kaufmann ging ganz zornig zum König und erzählte ihm, wie sich seine Vertrauten gegen die Frau benommen. Der König, der sie wegen ihrer Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sehr liebte, ließ sie sogleich rufen; auch nach der Frau schickte er, damit sie erkläre, was die Männer verschuldet haben. Als die Frau erschien, sagte ihr der König: »Was hast du Schlechtes von meinen Vertrauten gesehen?« Die Frau sagte: »O König, ich beschwöre dich bei dem allmächtigen Gott, bei dem Herrn des Himmels! Befiehl ihnen, das Gespräch zu wiederholen, das sie diese Nacht miteinander geführt.« Auf den Befehl des Königs erzählten sie wieder einander die Geschichte ihrer Trennung. Da stand der König von dem Thron auf, fiel über sie her, umarmte sie und schrie: »Bei Gott, ihr seid meine Söhne!« Hierauf nahm die Frau ihren Schleier vom Gesicht und rief, »Und ich, bei Gott, bin ihre Mutter!« So blieben sie denn beisammen und lebten in Glück und Freude, bis sie der Tod erreichte. Gepriesen sei der, welcher den Diener rettet, der sich zu ihm wendet, und den nie beschämt, der auf ihn sein Vertrauen setzt.
Ikirma und Chuseima.
Es wird noch erzählt: Zur Zeit des Kalifen Suleiman, des Sohnes Abd Almeliks, lebte ein Abkömmling von dem Stamm der Söhne Asad, der durch seine Biederkeit, seinen Edelmut und seine Freigebigkeit allenthalben berühmt war; sein Name war Chuseima, der Sohn Baschars. Nachdem er lange alle seine Freunde mit Wohltaten überhäuft hatte, verließ ihn das gute Glück, so daß er zuletzt derjenigen bedurfte, deren Wohltäter er bisher gewesen war. Aber diese Menschen waren seiner bald überdrüssig, und sobald er eine Veränderung in ihrem Benehmen gegen ihn wahrnahm, ging er zu seiner Frau, welche zugleich seine Base war, und sagte ihr: »Ich habe meine Freunde ganz verändert gegen mich gefunden und daher beschlossen, nicht mehr aus dem Hause zu gehen, bis ich sterbe.« Er schloß sogleich die Tür und lebte zu Hause von dem, was er noch hatte, bis endlich gar nichts übrig blieb und er gar nicht mehr wußte, was er tun sollte. Dies hörte zufällig Ikirma, der Statthalter von Mesopotamien, der wegen seiner Freigebigkeit berühmt war, und er sagte zu denjenigen, die ihm von Chuseimas Not erzählten: »Sind selbst diesem Mann keine Freunde und keine Bekannten zu Hilfe gekommen?« Er wartete dann, bis es dunkel war, nahm vierhundert Dinare und legte sie in einen Beutel, ließ sich sein Maultier satteln und nahm nur einen Diener mit, der das Geld trug, und ritt bis vor die Tür von Chuseimas Haus. Hier nahm er dem Diener den Beutel ab, schickte ihn weg und stieß die Tür auf. Als Chuseima herauskam, gab ihm Ikirma den Beutel und sagte: »Verbessere damit deine Lage!« Chuseima fand den Beutel so schwer, daß er ihn fallen ließ; er ergriff dann den Zaum von Ikirmas Maultier und sagte: »Wer bist du? Ich will es wissen, damit ich mein Leben für dich opfere!« Ikirma antwortete: »Ich werde es dir jetzt nicht sagen; wollte ich von dir gekannt sein, so wäre ich nicht zu dieser Stunde gekommen.« Aber Chuseima entgegnete: »Wenn du mir nicht sagst, wer du bist, so nehme ich dein Geld nicht an.« Da sagte Ikirma: »Ich bin ein Mann, der gern das Unglück der Elenden mildert, mehr sage ich dir nicht«, und lief schnell fort. Chuseima ging mit dem Beutel zu seiner Frau und sagte ihr: »Freue dich, Gott hat uns geholfen, wenn dieser Beutel voll Geld ist; zünde einmal Licht an!« Aber die Frau sagte: »Wir haben kein Licht im Hause.« Und so mußte er mit Ungeduld den Morgen erwarten. – Ikirma aber, als er wieder nach Hause kam, hörte, daß seine Frau ihn vermißt und nach ihm gefragt habe, und als man ihr gesagt, er sei ausgeritten, ihr die Sache sehr verdächtig vorgekommen sei. Sie sagte ihm daher, als er zurückkam: »Wie? Der Statthalter von Mesopotamien reitet in der Nacht aus
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