Tausend und eine Nacht, Band 4
und rief seine Gefährten. Die Holzhauer eilten zu ihm und halfen ihm die Platte aufheben; als sie weg war und sie eine Grube ganz mit Honig gefüllt sahen, sagten sie zueinander: »Diese Grube ist von Honig gefüllt; es bleibt uns nichts übrig, als in die Stadt zu gehen, um Gefäße zu holen, in welchen wir ihn in die Stadt tragen, um ihn dort zu verkaufen; das Geld teilen wir dann. Doch muß einer von uns hier bleiben, um die Grube zu bewachen.« Haseb sagte: »Ich will als Wache hier bleiben, geht ihr in die Stadt und kommt bald wieder mit Gefäßen.« Alle gingen fort bis auf Haseb und kehrten bald wieder mit großen Töpfen zurück; sie füllten sie mit Honig, führten sie in die Stadt, verkauften sie und kehrten wieder zur Grube mit leeren Gefäßen. So machten sie viele Reisen hin und her und verkauften immer den Honig in der Stadt, während Haseb immer in der Höhle blieb, um die Grube zu bewachen, bis eines Tages einer der Holzhauer zu den übrigen sagte: »Wisset, da Haseb die Grube entdeckt hat, so könnte er morgen, wenn er in die Stadt kommt, uns anklagen und alles Geld in Anspruch nehmen, das wir für den Honig gelöst; das beste ist daher, wir lassen ihn nun noch einmal in die Grabe steigen, um den übrigen Honig herauszugeben, dann lassen wir ihn unten vor Hunger sterben; es wird nie ein Mensch etwas mehr von ihm erfahren.« Sämtliche Holzhauer stimmten mit diesem Vorschlag überein; sie gingen wieder zur Höhle und sagten zu Haseb: »Steige in die Grube hinab, um uns den übrigen Honig zu holen.« Haseb stieg hinunter; als er aber die Gefäße gefüllt hatte und den Holzhauern sagte: »Zieht mich wieder hinauf, es ist kein Honig mehr da«, erhielt er keine Antwort, denn sie waren alle in die Stadt zurückgekehrt und hatten ihn in der Grube gelassen. Haseb rief vergebens nach Hilfe und sagte weinend: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, als bei Gott dem Erhabenen! Nun bin ich lebendig begraben.« Die Holzhauer verkauften wie immer ihren Honig in der Stadt; dann gingen sie zu Hasebs Mutter und sagten ihr: »Mögest du leben statt deines Sohnes Haseb!« Sie fragte: »Was ist denn diesem geschehen?« Da antworteten die Holzhauer: »Als wir im Gebirge waren, fing es an, stürmisch zu regnen, und wir flüchteten uns in eine Höhle; da entfloh die Eselin deines Sohnes ins Tal, und als dein Sohn ihr nachlief, um sie zurückzubringen, kam ein großer Wolf, tötete deinen Sohn und fraß den Esel.« Als Hasebs Mutter dies hörte, schlug sie sich ins Gesicht, streute Erde auf ihr Haupt und trauerte um ihren Sohn; die Holzhauer aber wurden angesehene Kaufleute, sie aßen und tranken, schickten auch Hasebs Mutter zu essen und führten das vergnügteste Leben. – Haseb blieb lange in der Grube, bis endlich ein großer Skorpion auf ihn von oben herunterfiel; er brachte ihn um und dachte: die Grube war doch ganz mit Honig angefüllt, wo mag wohl dieser Skorpion hergekommen sein? Er machte sich auf, um die Stelle zu untersuchen, wo der Skorpion hergekommen; da sah er eine Spalte, durch die Licht hereinfiel; er nahm sein Messer und erweiterte sie, bis er durchschlüpfen konnte; er kam dann an einen langen Gang und sah zuletzt eine große eiserne Tür mit einem silbernen Schloß, an dem ein goldener Schlüssel war. Er näherte sich der Tür und öffnete sie, und als er durchgegangen und eine Strecke vorwärts war, kam er vor einen großen See; daneben sah er einen Hügel aus grünem Smaragd, auf dem ein goldener Thron stand mit allerlei Edelsteinen besetzt.
Rings um diesen Thron standen Stühle, einige von Gold, andere von Silber, andere von Kupfer und einige von Eisen, von Sandelholz, von Elfenbein und von Ebenholz; es waren nicht weniger als zwölftausend Stühle. Haseb setzte sich auf den Thron, um welchen die Stühle standen, und vor großem Erstaunen und Wohlgefallen an diesem See und diesen Stühlen schlief er ein. (Gepriesen sei der, welcher nie schläft!) Als er wieder erwachte, hörte er ein Zischen und Wispern und Blasen; er öffnete seine Augen und richtete sich auf, da sah er auf den Stühlen große Schlangen sitzen; eine jede war hundert Ellen lang. Hasebs Mund trocknete aus vor Furcht; er verzweifelte schon am Leben, als er die Augen dieser Schlangen sah, welche wie blanke Schwerter funkelten. Als er dann seinen Blick auf den See warf, sah er darin viele kleine Schlangen, so viele, daß nur Gott ihre Zahl kennt. Nach einer Weile kam eine Schlange herbei, so dick wie ein Maultier und trug eine
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