Tausend und eine Nacht, Band 4
beten. Die alte Königin weinte und sagte: Was wird aus mir werden, wenn du fort bist? Aber er erwiderte: Ich kann unmöglich länger hier bleiben, und reiste fort in der Richtung nach Syrien, ohne einen Menschen in diesem Land zu kennen. Als er ans Ufer des Meeres kam, fand er ein Schiff; er bestieg es und wurde auf eine Insel gebracht. Da stieg er ans Land und schlief ein. (Gepriesen sei der, welcher nie schläft!) Unterdessen segelte das Schiff weiter, und als er erwachte, war es schon fort und hat ihn allein auf der Insel gelassen. Als er weinend auf der Insel umherging, begegneten ihm Schlangen, so groß wie Kamele und so lang wie Dattelbäume, die Gottes Lob verkündigten und für Mohammed beteten, worüber er sehr erstaunte.
Eine dieser Schlangen fragte nun Bulukia: »Wer bist du, wo willst du hin und wo kommst du her?« Er antwortete: »Ich heiße Bulukia, gehöre zu den Söhnen Israels und reise aus Liebe zu Mohammed (Gott sei ihm hold!), um ihn aufzusuchen; doch wer seid ihr, ihr edlen Geschöpfe?« Sie antworteten: »Wir sind Bewohner der Hölle, zur Pein der Ungläubigen geschaffen.« Bulukia fragte sie, wie sie denn hierher gekommen. Die Schlange antwortete: »Wisse, Bulukia, daß die Hölle, welche auch ein lebendiges Wesen ist, zweimal im Jahr Atem schöpft, einmal im Sommer und einmal im Winter, und daher entsteht auch die große Hitze im Sommer; so oft sie ausatmet, wirft sie uns aus, und wenn sie wieder einatmet, zieht sie uns wieder an.« Bulukia fragte dann, ob in der Hölle noch größere Schlangen umherkriechen, worauf die Schlange antwortete: »Wir sind die allerkleinsten; in der Hölle gibt es aber Schlangen, die es gar nicht empfinden, wenn die größte von uns in ihre Nase kriechen würde. Bulukia fragte ferner: »Woher kennt ihr Mohammed, für den ihr betet?« Sie antworteten: »O Bulukia, Mohammeds Name ist über die Tür des Paradieses geschrieben, und wäre er nicht, so hätte Gott gar nichts geschaffen, weder Paradies noch Hölle, weder Himmel noch Erde; Gott hat alles nur seinetwillen geschaffen und hat überall Mohammeds Namen mit dem seinigen verschlungen, darum beten wir für Mohammed (Gott sei ihm hold!). Als Bulukia diese Worte von der Schlange hörte, vermehrte sich seine Liebe und Sehnsucht zu Mohammed noch. Er nahm dann von den Schlangen Abschied, ging ans Ufer des Meeres, wo ein Schiff vor Anker lag, bestieg es und fuhr damit nach einer anderen Insel. Als er hier ans Land stieg und eine Weile umherging, sah er endlich viele große und kleine Schlangen. Unter anderen sah er auch eine, welche weißer und glänzender als Kristall war, sie saß in einer goldenen Kufe auf dem Rücken einer anderen Schlange, groß wie ein Elefant; die Schlange in der Kufe war die Königin der Schlangen, und die bin ich.« Haseb sagte: »Nun erzähle mir, was zwischen dir und Bulukia vorgefallen!« Die Königin fuhr fort: »Als ich Bulukia sah, grüßte ich ihn und fragte ihn, wo er herkomme, wer er sei, was er suche und wie er heiße; er antwortete mir: »Ich heiße Bulukia, bin von den Söhnen Israels und ziehe umher, um Mohammed, den Propheten Gottes, aufzusuchen, den ich in der heiligen Schrift angekündigt fand.« Er fragte mich dann: »Und wer bist du?« Ich sagte ihm: »Ich bin die Schlangenkönigin und heiße Tamlicha; wenn du Mohammed, dem Gott gnädig sei, triffst, so grüße ihn von mir.« Bulukia nahm dann Abschied von mir, bestieg das Schiff wieder und reiste nach Jerusalem. Da lebte ein Mann, der in allen Wissenschaften bewandert war; er hatte Geometrie, Astronomie, Chemie und Metaphysik studiert, auch viel in der Tora, in den Evangelien und Psalmen und den Büchern Abrahams gelesen. Dieser Mann – er hieß Afan – hatte in einem seiner Bücher gefunden, daß, wer den Siegelring unseres Herrn Salomon anlegt, dem gehorchen alle Vögel, Tiere, Menschen und Genien, kurz alle Geschöpfe. Als unser Herr Salomon aber starb, wurde er in einen Sarg gelegt und in einem Berg begraben, der von sieben Meeren umgeben ist, wo kein Schiff hinkommen kann, damit weder ein Genius noch ein Mensch ihm den Siegelring nehme.«
»Nun hatte aber Afan in einem seiner Bücher gefunden, daß, wenn man sich mit dem ausgepreßten Saft eines gewissen Krautes die Füße salbt, man auf jedem Meer, das Gott geschaffen, gehen kann, ohne unterzusinken; niemand kann aber zu diesem Kraut gelangen, ohne die Hilfe der Schlangenkönigin. Als nun Bulukia nach Jerusalem kam und in einem Tempel Gott anbetete, ging Afan auf
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