Tausend und eine Nacht, Band 4
goldene Kufe auf dem Rücken, in welcher eine Schlange mit einem Menschengesicht wie Kristall leuchtete. Als sie in die Nähe Hasebs kam, grüßte sie ihn mit beredter Zunge, und er erwiderte ihren Gruß. Dann kam eine Schlange und setzte die Kufe auf einen der Stühle; die Schlange, die darin war, schrie dann die übrigen in ihrer Sprache an; sie erhoben sich alle von ihren Stühlen, fielen vor ihr nieder und grüßten sie. Erst auf einen Wink dieser Schlange setzten sie sich wieder. Sie sagte hierauf zu Haseb: »Fürchte dich nicht vor uns, ich bin die Königin der Schlangen und ihre Sultanin!« Diese Worte beruhigten Hasebs Herz um so eher, als sie einigen Schlangen befahl, etwas zu essen zu bringen, und sie sogleich mit Äpfeln, Trauben, Granatäpfeln, Pistazien, Haselnüssen, Mandeln, Nüssen und Bananen herbeikamen und sie Haseb vorstellten. Die Königin hieß ihn noch einmal willkommen, fragte ihn nach seinem Namen und bat ihn, von diesen Früchten ohne Furcht zu essen. »Gekochte Speisen«, sagte sie, »haben wir nicht.« Haseb aß von den Früchten, bis er satt war, und dankte dem erhabenen Gott dafür. Als er vollends gegessen hatte, wurden die Speisen weggetragen, und die Königin fragte ihn, woher er komme und wie er diesen Ort erreichen konnte. Haseb erzählte ihr, was seinem Vater mit dem Engel Gabriel begegnet, wie er erst nach seines Vaters Tod geboren worden und in der Schule nichts lernen wollte, wie er dann Holzhauer wurde und die Grube entdeckte, in der ihn seine Gefährten zurückgelassen, und wie er endlich durch einen Skorpion auf einen Ausgang aufmerksam gemacht worden. »Das ist«, schloß er, »alles, was ich über die Art und Weise, wie ich hierher gelangt, zu erzählen weiß.« Als Haseb seine Erzählung vollendet hatte, sagte ihm die Schlange: »Sei nur ruhig: Es wird dir nur Gutes begegnen; bleibe nur einige Zeit bei mir, Haseb, ich will dir auch meine Geschichte erzählen, du wirst darüber erstaunen.« Haseb sagte., »Ich gehorche recht gern deinem Befehl.« Darauf begann die Königin: »Wisse, o Haseb, es war in Ägypten ein Mann von den Söhnen Israels, welcher einen Sohn hatte, der Bulukia hieß. Der Mann tat nichts anderes, als Gott anbeten und die heilige Schrift lesen; als er erkrankte und dem Tod nahe war, kamen die Vornehmsten des Landes zu ihm und grüßten ihn; er sagte ihnen: Wisset, ihr Männer, meine Abschiedsstunde ist nahe; ich verlasse diese Welt, um in eine andere zu wandern; ich habe euch nichts zu empfehlen, als meinen Sohn Bulukia, dessen ihr euch annehmen möget. Hierauf rief er: Ich bekenne, daß es keinen Gott gibt außer dem einzigen Gott, atmete zum letzten Mal und schied aus der Welt. (Gott erbarme sich seiner!) Man bereitete ihm sein Totengewand zu, wusch und beerdigte ihn und ernannte seinen Sohn Bulukia zum Sultan. Dieser war so gerecht gegen seine Untertanen, daß die höchste Ruhe und Zufriedenheit in seinem Land herrschte, Eines Tages aber öffnete er die Schatzkammern seines Vaters, um zu sehen, was sie enthalten; da fand er in einer der Kammern eine verborgene Tür; er öffnete sie und kam in ein kleines Kabinett, worin auf einer weißen marmornen Säule ein Kästchen von Ebenholz stand. Bulukia öffnete es und fand darin ein anderes, goldenes Kästchen; er öffnete auch dieses und sah ein Buch darin, auf dessen Außenseite geschrieben war: Ein Prophet mit Namen Mohammed wird einst aufstehen (Gott sei ihm gnädig und bewahre ihn!), der ist der Herr aller ihm Vorangegangenen und ihm Nachfolgenden. Als Bulukia diese Worte gelesen, wurde er ganz rasend vor Liebe zu Mohammed; er versammelte die Großen und die Priester seines Volkes, machte sie mit dem Buch bekannt und sagte ihnen: Mein Vater verdient, daß ich ihn aus dem Grabe hervorziehe und verbrenne, weil er mir dieses Buch verborgen hat, das er gewiß aus der Tora oder aus den Büchern Ibrahims ausgezogen hat; wie mochte er ein solches Buch so sorgfältig verschließen und niemand damit bekanntmachen! Aber die Vornehmen der Söhne Israels widersetzten sich einer solchen Handlung und sagten: Laß ihn nun in der Erde ruhen, Gott hat ihn zu sich genommen! Bulukia ging dann zu seiner Mutter und sagte ihr, was er in der Schatzkammer seines Vaters gefunden, und erklärte ihr, daß er nun Mohammed so leidenschaftlich liebe, daß er alle Länder durchziehen wolle, bis er mit ihm zusammenträfe, sonst müsse er sterben. Er zog sogleich ein Reisekleid an und bat seine Mutter, nicht zu unterlassen, für ihn zu
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