Tausend und eine Nacht, Band 4
sich in eine schöne, weite Wiese herab, wo viele Bäche flossen und viele Gazellen umherhüpften. Als sie auf den Boden kam, stieg Djanschah ab und küßte sie zwischen die Augen. Da sagte Schemsiah: »Weißt du, mein Geliebter, welche Reise wir in zwei Tagen zurückgelegt?« Djanschah antwortete: »Bei Gott, ich weiß es nicht!« – »Wir haben«, fuhr sie fort, »eine Reise von dreißig Monaten gemacht.« Djanschah dankte Gott und setzte sich neben Schemsiah. Auf einmal, als sie so beisammen saßen und aßen und tranken und scherzten, kamen zwei Mamelucken auf sie zu, von denen der eine zur Zeit, wo Djanschah mit seinem Vater auf die Jagd gegangen war, die Pferde gehalten hatte, während Djanschah den Nachen bestieg. Sie küßten Djanschah Hände und Füße, als sie ihn erkannten, und sagten: »Dein Vater jagt hier in der Nähe; wir wollen ihm schnell deine Ankunft melden.« Djanschah antwortete: »Tut dies; dann bringt Zelte herbei: Wir wollen hier eine Woche ausruhen, damit alle Fürsten und Heerführer mir hierher entgegenkommen, und ich dann mit Pomp und Glanz meinen Einzug halte.«
Die beiden Mamelucken bestiegen ihre Pferde und ritten zu Djanschahs Vater und sagten: »Gute Nachricht, o König der Zeit!« Als der König Tighanus dies hörte, sagte er: »Wehe euch, bringt ihr mit etwa Botschaft von meinem Sohne Djanschah?« Die Mamelucken antworteten: »Ja wohl, dein Sohn Djanschah ist von seiner Reise zurückgekehrt; er ist hier in der Nähe.« Der König verlor das Bewußtsein bei diesen Worten. Als er wieder zu sich kam, freute er sich sehr, befahl seinem Vezier, jedem der Mamelucken ein Ehrenkleid zu schenken für tausend Dinare und noch einen Beutel voll Geld dazu. Der Vezier holte sogleich nach dem Befehl des Königs zwei Ehrenkleider und zwei Beutel voll Geld, gab sie den zwei Mamelucken und sagte ihnen: »Hier habt ihr den Lohn für die frohe Botschaft, die ihr überbracht, ihr möget wahr gesprochen oder gelogen haben.« Da versetzten die Mamelucken: »Wir lügen nicht, wir sind eben bei Djanschah gesessen, haben ihn gegrüßt und ihm die Hand geküßt; auch hat er uns befohlen, Zelte zu holen, weil er sieben Tage in der Wiese verweilen will, bis alle Emire, Fürsten und Prinzen ihm entgegenkommen.« Als der König Tighanus dies hörte, ließ er in die Trompeten stoßen und Botschafter umherreiten, um die Ankunft Djanschahs allenthalben zu verkünden; auch sandte er einen Eilboten an Djanschahs Mutter, um ihr die Rückkehr ihres Sohnes zu melden. Dann zog der König Tighanus mit vielen Truppen in die Wiese, wo Djanschah neben Schemsiah saß. Djanschah stand auf, als er die Truppen bemerkte und ging ihnen entgegen. Alle Reiter stiegen von ihren Pferden ab, als sie den Prinzen erblickten, grüßten ihn und küßten seine Hände. Djanschah ging immer vorwärts an den Truppen vorüber, bis er zu seinem Vater kam. Als dieser Djanschah erblickte, sprang er vom Pferd herunter, umarmte ihn und weinte heftig. Dann bestieg er sein Pferd wieder, Djanschah ritt ihm zur Rechten und die Truppen folgten. Hierauf wurden Zelte aufgeschlagen und Fahnen aufgesteckt, und die Trompeten erschallten von allen Seiten. Der König ließ für Schemsiah ein Zelt von roter Seide aufschlagen, und als sie eine Weile darin ausgeruht hatte, besuchte er sie mit dem Prinzen. Als Schemsiah den König Tighanus sah, stand sie auf und verbeugte sich vor ihm. Er setzte sich, ließ den Prinzen zu seiner Rechten und Schemsiah zu seiner Linken Platz nehmen, bewillkommte letztere und fand viel Wohlgefallen an ihr.
Der König ließ sich dann von seinem Sohn alles erzählen, was ihm während seiner Abwesenheit widerfahren, und als er dessen Erzählung angehört hatte, wendete er sich zu Schemsiah und sagte: »Gelobt sei Gott, der dich mit meinem Sohn vereinigt! Wünsche dir nun etwas, ich werde es dir gewähren, was es auch sein mag!« Sie sagte: »Ich wünsche, daß du mir ein Schloß bauen lassest mitten in einem Garten, am Ufer eines Flusses.« Der König antwortete: »Dein Wille geschehe!« Während dieses Gesprächs kam Djanschahs Mutter mit den Frauen der Fürsten und Veziere und aller Vornehmen der Stadt. Als Djanschah sie kommen sah, ging er ihr entgegen zum Zelte hinaus. Bei dem Anblick ihres Sohnes verlor sie fast den Verstand vor Freude; sie fiel ganz außer sich über ihn her und hielt ihn lange umarmt. Dann sagte sie weinend folgenden Vers:
»Die Freude stürmt so gewaltig über mich her, daß ich vor allzu großem Entzücken
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