Tausend weisse Flocken
Die Bäume sahen aus wie mit Puderzucker überzogen, und der strahlend blaue Himmel bildete einen reizvollen Kontrast zu den Berggipfeln, die so hoch waren, dass sie sich fragte, wie man überhaupt den Mut aufbrachte, solche Berge zu besteigen.
Was hatte Zachary am Tag ihrer Ankunft noch zu ihr gesagt?
Dass allein British Columbia ungefähr dreiundzwanzigmal so groß war wie die Schweiz? Von hier aus erschien es jedenfalls durchaus glaubwürdig. Und wenn sie Melanie nicht versprochen hätte, um fünf zu Hause zu sein, hätte sie diese friedliche Atmosphäre noch bis zur Dämmerung genossen und sich dann auf einem der Feldbetten in der Hütte zusammengerollt, nur mit dem Holzofen und einem der Schlafsäcke, die dort für Notfälle aufbewahrt wurden, als Gesellschaft.
Aber versprochen war versprochen. Widerstrebend schnallte Claire ihre Skier wieder an und machte sich mit einem letzten Blick in die herrliche Umgebung auf den Rückweg. Der Karte zufolge sollte die Loipe einige Kilometer nördlich des Hotels enden.
Der Rückweg war lange nicht so anstrengend, und Claire erreichte das Tal, als die Sonne gerade über dem See unterging.
Wie ein Feuerball hing sie über dem Horizont und tauchte den See in flammendes Licht.
Wäre es nicht so ein phantastischer Anblick gewesen, hätte Claire mehr auf den Weg geachtet und gemerkt, dass Zachary auf sie zukam. Doch sie hätte taub und ignorant sein müssen, um nicht die Wut aus seiner Stimme herauszuhören, als er sie ansprach.
"Ist das deine Art, mir eine Lektion zu erteilen, Claire?"
knurrte er sie an. Ja, er knurrte. Wie ein wilder Hund, der im Begriff war anzugreifen. Und wenn sie an ihre letzte Begegnung mit ihm dachte, fand sie das unverzeihlich.
"Schrei mich nicht so an", sagte sie. "Das lasse ich mir nämlich nicht gefallen."
"Und ich lasse mir dein rücksichtsloses Verhalten nicht gefallen", erklärte er in demselben Tonfall. "Was, zum Teufel, hast du dir dabei gedacht, durch ein Gelände zu fahren, das du überhaupt nicht kennst?" Er beugte sich zu ihr herunter und wirkte dabei ausgesprochen Furcht einflößend. "Bist du wirklich so dumm, oder wolltest du mich für heute Nacht bestrafen?"
9. KAPITEL
Claire steckte ihre Skistöcke in den Schnee und erwiderte betont gleichgültig: "Ob du es glaubst oder nicht, Zachary, aber an dich habe ich überhaupt nicht gedacht. Ich wollte die Loipen erkunden und hatte einen sehr schönen Nachmittag - bis jetzt."
Natürlich war sie nicht ganz ehrlich, denn sie hatte ständig an ihn denken müssen, doch das wollte sie nicht zugeben.
"Du hättest es jemandem sagen müssen", fuhr Zachary sie an.
"Als Gast dieses Hotels bist du dazu verpflichtet, uns über deinen Verbleib und den Zeitpunkt deiner Rückkehr zu informieren."
"Rede nicht in diesem Ton mit mir", konterte sie. "Ich bin schließlich kein Kind mehr. Und zufällig habe ich Melanie über meinen Verbleib und den Zeitpunkt meiner Rückkehr informiert."
"Aber Melanie ist noch ein Kind, und du hattest nicht das Recht, ihr die Verantwortung für dich aufzuhalsen."
"Du wagst es, mir gegenüber von Verantwortung zu sprechen, Zachary? Erst nachdem du mit mir geschlafen hattest, ist dir der Gedanke gekommen, dass du mich geschwängert haben könntest."
Überrascht stellte sie fest, dass eine dunkle Röte seine Wangen überzog. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich dann jedoch anders und wandte den Blick ab.
Claire konnte die widerstreitenden Gefühle sehen, die seine Miene widerspiegelte - Schuldgefühle, Zorn und Reue -, aber sie war immer noch zu verletzt, um Mitgefühl für ihn zu empfinden.
Trotzdem war es nicht ihre Art, jemandem lange böse zu sein.
Sosehr sein Verhalten ihr auch wehgetan hatte, wusste sie doch, dass er sie nicht absichtlich gekränkt hatte, und am liebsten hätte sie ihm jetzt verziehen.
Allerdings hätte das nur noch mehr Kummer nach sich gezogen. Sie wusste nicht, ob sie sich in einen Mann verlieben konnte, den sie erst vor wenigen Tagen kennen gelernt hatte, doch sie wusste, dass sie noch nie zuvor so empfunden hatte.
Sie hätte ihm alles gegeben, was er von ihr verlangt hatte, und wenn ihr Selbsterhaltungstrieb noch nicht ganz erloschen war, musste sie verhindern, dass sie dieser Versuchung erneut erlag. Daher durfte sie nie wieder mit Zachary allein sein.
Claire nahm ihre Skistöcke und wollte an ihm vorbeifahren, doch im letzten Moment versperrte er ihr den Weg. "Wir müssen über heute Nacht reden", erklärte er und umfasste ihr
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