Tausend Worte der Liebe
eigenen Füßen stehen musste.
Dann wurde wie aus heiterem Himmel auch noch Shays Mutter krank. Die lebte damals glücklich und zufrieden mit ihrem sechsten und letzten Ehemann auf einer Ranch in Mexiko und machte sich über die Probleme der Tochter keine Gedanken. Niemand konnte ahnen, dass Rosamonds Vergesslichkeit und ihre gelegentlichen Wutausbrüche die ersten Anzeichen der Alzheimer Krankheit waren. Shay hatte ihre Mutter angerufen, nachdem Eliott – zu dieser Zeit Leiter einer Kleinstadtschule in Oregon – mit gestiftetem Geld für eine Sportanlage spurlos verschwunden war und seine junge, schwangere Frau bedenkenlos sitzen ließ.
Rosamond wies die Tochter darauf hin, dass sie ihr von Anfang an prophezeit habe, die Ehe werde so oder ähnlich enden. Natürlich würde sie gern mit Geld aushelfen, doch ihr Mann, Eduardo, hatte sich beim Kauf eines Vollblutrennpferdes verausgabt. Es war sündhaft teuer gewesen, das Tier von Kentucky nach Yucatán zu transportieren …
»Shay?«
Shay löste sich von ihren Erinnerungen und begegnete Marvins väterlichem Blick. Ihr war klar, dass sie auch ohne Bonus seine Bitte nie hätte abschlagen können. Marvin war mehr, als ein geduldiger, großzügiger Arbeitgeber – er war ihr Freund.
»So ein Angebot kann ich nicht ablehnen«, sagte Shay leise und voll banger Vorahnung, dass da einiges auf sie zukommen würde.
Marvins ausgefallene Ideen waren sein persönlicher Stil und hatten ihn in der Autobranche zu einer lebenden Legende gemacht. Jetzt grub er unverzüglich unter einem Wust von Schriftstücken und Akten das Telefon hervor und wählte.
»Jeannie? Leg deinen Reisepass zurecht, Honey! Shay ist einverstanden. Wir können losfahren.«
Shay erhob sich und ging in ihr kleines Büro nach nebenan. Richard Barrett folgte ihr, sichtlich zufrieden mit dieser Entwicklung. »Drei der Spots sind im Entwurf fertig, Shay«, sagte er. »Wollen Sie einen Blick draufwerfen?«
»Warum will Marvin unbedingt mich dafür haben?«, jammerte Shay, reichlich verspätet. »Weshalb nimmt er keinen der Verkäufer oder noch besser: einen Schauspieler? Ihre Agentur könnte ihm bestimmt jemanden vermitteln.«
Richard lächelte. »Sie wissen doch, Shay, wie viel er von persönlichem Einsatz hält. Das ist ja gerade das Geheimnis seines Erfolges, und Sie sollten stolz sein. Er betrachtet Sie praktisch als ein Mitglied seiner Familie.«
Damit hatte Richard Barrett nicht unrecht. Jeannie und Marvin waren kinderlos, sie bezogen Shay und Hank seit langer Zeit ganz selbstverständlich in ihr Privatleben ein. Und Shay wiederum … Was würde sie ohne die Reeses angefangen haben?
Shay seufzte und warf einen Blick auf den übervollen Korb mit dem Wort »Eingang«, der sie mahnend ansah. »Ich hab’ eine Menge Arbeit, Richard. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen …« Das Telefon summte. Shay nahm den Hörer ab. »Ja, Ivy? Was gibt’s?«
Ivy Prescotts Stimme kam durch. »Shay, der Verkäufer, den Mike letzten Dienstag eingestellt hat … er benimmt sich so komisch.«
Shay schloss die Augen und atmete tief. Mit der freien Hand suchte sie im Schreibtischkasten nach der Packung mit Aspirin, fand sie aber nicht. »Genauer, bitte. Was macht er?«
»Er steht auf dem Vordersitz der 65er Corvette, die wir neu hereinbekommen haben, und hält eine Rede.«
»Steht …?«
Ja, das ist ein Cabrio.«
Shay merkte, dass Richard Barrett sich noch immer in ihrem Büro aufhielt. Ihre Nervosität nahm zu. »Lieber Himmel! Wo ist denn Mike? Er ist Verkaufsleiter, das ist sein Problem.«
»Er ist heute krank.« Aus Ivys Stimme klang Panik. »Shay, was soll ich tun. Ich denke, wir sollten Mr Reese damit nicht behelligen. Sein Herz … du weißt schon. Oh, ich wünschte, dass Todd hier wäre!«
»Ich kümmere mich darum.« Shay legte auf und ging festen Schrittes aus dem Raum, gefolgt von dem unvermeidlichen Richard Barrett. Als sie an Ivys Empfangstresen vorbeikam, warf sie ihr einen missbilligenden Blick zu. Man denke – sich hinter einem Mann wie Todd verstecken zu wollen, auch wenn es der Verlobte war!
An diesem Tag trug Shay Tennisschuhe zu Jeans und Bluse. Die Gummisohlen quietschten auf der Treppe, als sie zum Ausstellungsraum hinabstieg. Mit freundlichem Kopfnicken grüßte sie die Kunden. Um das chromblitzende Cabrio herum hatte sich eine Menschenmenge versammelt.
Shay bahnte sich einen Weg frei, zwischen den beiden neuen Verkäufern hindurch, holte tief Luft und wandte sich dem jungen Mann zu, der
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