Tausend Worte der Liebe
mich umziehen.«
Sie sah förmlich, wie Mitch die Augenbrauen hochzog. »Trage bitte dein Bienenkostüm«, antwortete er endlich. »Das finde ich wahnsinnig aufregend.«
Shay schüttelte den Kopf, sagte: »Bis gleich!«, und legte auf. Leichtfüßig sprang sie die Stufen hinunter und fand, dass die grauen Wolken, die immer dichter aufzogen, gar nicht zu ihrer Stimmung passten.
Zu Hause beeilte sie sich. Sie duschte, zog eine Hose aus anthrazitfarbenem Kaschmir und einen farbenfrohen leichten Pulli an und bürstete ihr feuchtes Haar, bis es glänzte und in lockeren Wellen auf die Schultern fiel. Sie betrachtete sich kritisch im Badezimmerspiegel, fand, dass sie entschieden zu unternehmungslustig aussah, und kämmte das Haar wieder streng zurück.
»Rein geschäftlich«, sagte Shay laut und machte sich auf den Weg.
Da seine neue Haushälterin, Mrs Carraway, schon gegangen war, öffnete Mitch selbst. Er wusste, dass es Shay sein würde, und doch hatte er Herzklopfen.
Die betont saloppe Kleidung, das vorsichtige Make-up und die strenge Frisur zeigten ihm an, dass sie sachlich und nüchtern wirken wollte. Er nahm das mit einem Lächeln zur Kenntnis und fand, dass sie damit genau das Gegenteil erreicht hatte. Sie wirkte auf eine erotische Weise ungeschützt, und Mitch begehrte sie nur umso mehr.
Für einige Minuten blieb er unbeweglich stehen und starrte sie an wie ein Idiot. Erst ein fernes Donnern ließ ihn sich auf seine Manieren besinnen. »Komm herein«, sagte er und trat beiseite.
Shay betrat das Haus offensichtlich zaghaft, was sie aber mit einem herausfordernden Benehmen zu überspielen versuchte, und was wiederum Mitch zutiefst berührte. Waren die Erinnerungen an dieses Haus traurig oder glücklich? Er hätte das gern gewusst und noch viel mehr. Aber sich dieser Frau zu nähern, war ein schwieriges Verfahren und erforderte Fingerspitzengefühl. Shay war wie ein scheues Tier, das tief im Wald versteckt lebt, sich nur ganz selten zeigt und beim geringsten Anlass flieht.
»Deine Möbel sind noch nicht gekommen«, stellte Shay fest und ließ ihren Blick kurz durch das große, jetzt neue Foyer wandern, so als ob sie sich bemühte, nicht zu viel zu sehen.
Mitch legte seine Hand zärtlich um ihren Ellenbogen, fürchtete noch immer, dass sie wie ein Einhorn, das eine Falle wittert, davonlaufen würde.
»Tatsächlich«, sagte er in betont beiläufiger Weise, »ist ein Teil inzwischen hier, die unpraktischsten Sachen: Töpfe und Pfannen – aber kein Geschirr. Wäsche und Kissen – aber kein Bett.«
Er bedauerte sofort, das Bett erwähnt zu haben.
Shay lächelte. Sie fühlte sich entspannt, wenn auch nur ein wenig.
Sie aßen in der Bibliothek, wie beim Picknick mit Papptellern und Supermarktgläsern, vor einem knisternden Feuer im Kamin. Mitch beobachtete Shay. Was für eine geheimnisvolle Mischung war sie doch aus Verletzlichkeit und Strenge, aus Weichheit und Kraft, Humor und Traurigkeit.
Mitch spürte, wie seine lang angenommene Weltklugheit, die tiefe Gefühle nicht zuließ, dahinschmolz. Seine Reaktion darauf war ambivalent, natürlich, denn er war ein Mann, der jede Situation kontrolliert. Mehr als einmal hatte ihm diese Kontrolle das Leben gerettet. Aber jetzt, in Gegenwart dieser Frau, fühlte er sich seltsam willenlos. Überraschend daran war, dass ihm das zusagte.
Nach dem Essen warf Mitch das Plastikgeschirr und die Plastikweingläser in den Abfalleimer und kehrte in die Bibliothek zurück, wo er Shay in Gedanken tief versunken in der Mitte des Raumes fand.
»Bist du hier glücklich gewesen?«, fragte er, ohne es eigentlich beabsichtigt zu haben.
Langsam drehte Shay sich ihm zu. Ja.«
Der Schmerz in ihren Augen traf ihn. »Geh ruhig auf Entdeckungsreise«, sagte er nach einem längeren Schweigen.
Eine stille Freude erhellte ihr Gesicht, und Mitch fühlte sich erleichtert. »Aber wir wollten doch arbeiten«, entgegnete Shay halbherzig, »die Fotoalben sind im Wagen und …«
Mitch unterbrach sie. »Ich werde sie holen, während du dich umsiehst. Vielleicht hast du ein paar Vorschläge, wie man die Räume dekorieren könnte. Im Augenblick ist das Haus so gemütlich wie eine verlassene Kohlenmine.«
Shay sah ihn dankbar an, war jedoch auch ein bisschen misstrauisch. »Gut …«
Mitch wartete ihre Antwort nicht ab, sondern ging hinaus. Er beeilte sich nicht sonderlich, obwohl der Karton mit Rosamond Dallas Bildern und Erinnerungen direkt auf dem Beifahrersitz stand. Er brachte alles in die
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