Tausend Worte der Liebe
zweiundsiebzig Stunden engagierte er eine Köchin, eine Haushälterin und einen Gärtner. Aus San Francisco ließ er seine Möbel kommen. Die Zwischenzeit verbrachte er zumeist in der öffentlichen Bibliothek, saß vor der Mikrofilmmaschine und las alles, was er über Rosamond Dallas auftreiben konnte, bis seine Nackenmuskeln sich schmerzhaft verspannten.
Am Dienstagmorgen fuhr er zu Reese Motors.
»Verdammt«, murmelte Shay, als sie die schmalen Stufen des Umkleidewagens hinunterkletterte.
Ivy unterdrückte mit Mühe das Lachen, als Shay im gelb-schwarz gestreiften Fernsehkostüm vor ihr stand. »Ich finde, du bist eine ganz tolle Biene«, stellte sie fest.
»Spotte nur«, drohte Shay. »Und wage ja nicht, mich auf den Arm zu nehmen.«
Ivy legte vorsichtshalber die Hand über ihren Mund, und der Diamant in ihrem Verlobungsring blitzte in der Sonne. »Hier ist noch die Haube. Komm her, ich helfe dir.«
Shay stülpte sich unwillig die enge Mütze über den Kopf, die ganz schwarz war und lange, wippende Antennen hatte.
Richard Barrett kam mit weiten Schritten an. »Die Flügel!«, donnerte er. »Wo sind die Flügel?«
»Er glaubt, dass er Cecil B. DeMille sei«, wisperte Ivy.
Shay, die in der heißen Sonne stand und in ihrem Samtkostüm schier umkam, hätte ihn am liebsten geohrfeigt. »Flügel?«, zischte sie.
»Natürlich«, antwortete Richard mit der Art von Geduld, die gewöhnlich tauben Hunden vorbehalten blieb. »Bienen haben schließlich Flügel, nicht wahr?«
Seine kurvenreiche junge Assistentin fand glücklicherweise die verschwundenen Plastikflügel. Sie trug ihre Sonnenbrille mitten auf dem Kopf und konsultierte immerfort ihr Clipboard.
»Wozu mache ich das nur?«, murmelte Shay ärgerlich, als sie sich auf das Kreidekreuz stellte, das direkt vor einem 82er Chrysler mit Klimaanlage auf den Asphalt gemalt worden war.
»Kennen Sie Ihren Text?«, fragte die Assistentin mit süßlicher Stimme und pustete unter ihren rötlichen Pony, dass die Haare einen kleinen Tanz veranstalteten.
»Sicher!«, antwortete Shay schnippisch. »To be or not to be, das ist die Frage …«
»Falsch!«, korrigierte die Assistentin, die den Witz nicht mitbekam.
»Gut, Shay.« Richard Barrett wies auf die beiden tragbaren Videokameras. »Wir drehen von zwei Seiten. Aber ich will, dass Sie in diese Kamera hier sehen, wenn Sie Ihren Text sprechen.«
»Seit wann ist ‚bzzzz‘ ein Text?«
»Tun Sie, was ich Ihnen sage, Shay.« Unter seinem rechten Auge zuckte nervös ein Muskel.
»Ich bin so weit«, gab Shay nach.
Die Kameras surrten, und vor ihrer Nase wurde eine Klappe geschlagen.
»Erstes Bild!«, rief Richard wichtig.
»Bzzzz!«, sagte Shay und tanzte um die Kühlerhaube des Chryslers herum, als wollte sie ihn mit Blütenstaub bestäuben. »Kommen Sie zu Reese Motors nach Skyler Beach, 6832 Discount Way! Sie können es sich nicht leisten, eine honigschleckende Gelegenheit wie diese zu versäumen!« Sie bewegte sich auf einen 78er Pinto zu. Soweit, so gut. »Sehen Sie das kleine Modell hier, nur neunzehn – neunzehn – neun …«
Shays Stimme blieb ihr in der Kehle stecken, und die Konzentration war dahin. Mitch Prescott stand neben Ivy und blickte verblüfft drein.
»Schnitt!«, brüllte Richard.
Shay schluckte und fühlte sich erleichtert, als sie sah, dass Mitch sich umkehrte und resolut davonging. Zuckten seine Schultern nur ein wenig unter dem blütenweißen Poloshirt?
»Tut mir leid«, sagte Shay zu Richard, der aussah, als würde ihn jeden Augenblick der Schlag treffen. Es schien ihr als ob er die Werbespots ein bisschen zu wichtig nahm.
»Zweites Bild!« Er seufzte tief. »Gütiger Himmel, warum muss ich mit Amateuren arbeiten? Kann jemand mir das beantworten?«
So würde er mit Marvin nicht zu sprechen wagen, dachte Shay. Zu dumm, dass sie sich entschuldigt hatte. Kein Werbefilm ist beim ersten Versuch schon im Kasten.
Sie wartete, bis die Kameras liefen, dann begann sie noch einmal und bot der Bevölkerung von Skyler Beach ein honigsüßes Geschäft an.
»Honigsüße!«, entrüstete sich Richard beinahe hysterisch. »Wieder geplatzt!«
Beim dritten Versuch klappte alles tadellos. Shay warf Richard Barrett einen vernichtenden Blick zu und stürmte in den Garderobenwagen, mit Ivy im Gefolge. Ivy musste an sich halten, um nicht loszuprusten, während sie Shay aus dem lästigen Kostüm half.
Wenig später, wieder in weißen Slacks und einer bunten Seidenbluse, abgeschminkt und mit locker
Weitere Kostenlose Bücher