Tausend Worte der Liebe
anzusehen.
»Du bist verstimmt«, sagte sie unglücklich.
»Schockiert wäre der treffendere Ausdruck«, erwiderte er, setzte sich neben sie und ließ sein Glas leicht an ihres stoßen.
Diesmal schlug sie die Augen zu ihm auf. Ärger überkam sie. »Schockiert? Du? Der Abenteurer, der Mann von Welt?«
Sein Gesichtsausdruck war sanfter geworden, obwohl sie ihm ansehen konnte, dass er verdrossen war, vor allem aber auch bestürzt. »Ich wollte keineswegs deine Tugend tadeln, Shay, so beruhige dich.«
»Was wolltest du denn?«
Er lächelte bei ihrem gereizten Ton und stellte mit einer langsamen, trägen Bewegung sein Glas auf den Fußboden. »Von dem Moment an, wo ich dich traf, hast du mich deutlich auf Distanz gehalten. Du hättest ebenso gut ein Schild um den Hals tragen können: Ansehen, aber nicht berühren! Und heute auf einmal …«
Shay hätte es nicht ertragen können, von ihm zu hören, dass sie ihn verführt hatte, obwohl es eigentlich so war. »Ich bin eine Frau der achtziger Jahre«, unterbrach sie ihn, zuckte mit den Schultern und hob das Glas in einer lässigen Geste, obwohl sie in Wirklichkeit am liebsten in den Schlafsack gekrochen wäre, um sich dort zu verstecken.
»Ja«, konterte Mitch trocken, »die Frau der Achtzehnhundertachtziger.«
»Das verbitte ich mir!«
Er nahm das Glas aus Shays Hand und stellte es beiseite. »Merkwürdig. Das Interessante an dir ist, dass trotz all dem, was wir soeben getan haben, du eine Unschuldige bist.«
»Ist das schlecht oder gut?«
Mitch zog sein Hemd von Shay weg, das sie vor sich gehalten hatte, und warf es beiseite. Er ließ seinen Blick abschätzend auf ihren nackten Brüsten ruhen. »Das muss ich mir erst überlegen«, sagte er mit einem übermütigen Zwinkern, und dann liebten sie sich wieder – diesmal bei hellem Licht.
6. KAPITEL
Der Karton mit den Überbleibseln der Rosamond-Dallas-Legende war für Mitch wie ein stummer Vorwurf. Er drehte seinen Kopf hin und her und massierte die verkrampften Nackenmuskeln mit einer Hand. »Bei mir bist du sicher«, hatte er Shay versprochen. »Nichts wird dir geschehen.«
Er hörte, wie ihr alberner, alter Wagen startete und sich schwerfällig in Bewegung setzte. Zum Abendessen war Shay hergekommen, um mit ihm zu arbeiten, doch stattdessen schlich sie sich jetzt im grauen Licht des frühen morgens davon, um ein Zusammentreffen mit seiner Haushälterin zu vermeiden.
Mitch schüttelte seinen schmerzenden Kopf und fluchte leise. Aber dann flog ein Lächeln über sein Gesicht. Ob es richtig war, dieses riesige Haus zu kaufen, wusste er noch nicht. Seine voreilige Bemerkung wegen Rosamond Dallas dem Agenten gegenüber bereute er zutiefst. Aber Shay bereute er ganz bestimmt nicht. Egal wie es kommen würde: Shay war die Antwort auf all seine Fragen.
Er durchquerte die Bibliothek und kniete neben dem Karton auf dem Teppich nieder. Ruhig und systematisch durchforstete er dann die Fotos, Tagebücher und Zeitungsausschnitte, die das Leben der Rosamond Dallas vor ihm lebendig werden ließen.
Zu Hause angekommen sprang Shay sofort unter die heiße Dusche und zog sich an, um ins Büro zu gehen. Eigentlich wartete sie auf Schuldgefühle, Gewissensbisse und Reue, aber nichts dergleichen stellte sich ein. Ihr Körper vibrierte noch immer wie ein sensibles Instrument, mit dem ein Experte musiziert hat. Ihr Gemütszustand war herrlich ausgeglichen, zum ersten Mal seit langer Zeit.
Shay frisierte sich und war geduldiger mit ihrem Make-up als an anderen Tagen. Dabei dachte sie an die Nächte mit Eliott und konnte überhaupt nicht begreifen, was sie in diesem Mann gesehen hatte.
Plötzlich unterbrach sie das Nachziehen der Lippen und sah sich im Spiegel an. »Vorsicht, Lady«, warnte sie ihr Konterfei, »eine Nacht auf seinem Schlafsack gibt dir kein Recht auf ewige Liebe und Treue, das weißt du doch. Vergiss nicht, du hast dich ihm an den Hals geworfen wie ein Straßenmädchen.« Der Satz stammte aus einem frühen Film von Rosamond. Shay ahnte nicht, warum er ihr gerade jetzt einfiel. Aber auch diese weisen Worte konnten ihre gute Laune nicht dämpfen.
Sie wusste, dass sie sich bis über beide Ohren verliebt hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Das genügte vorläufig, mehr wollte sie gar nicht.
Es war natürlich albern, sich so glücklich zu fühlen. Die Chance war groß, eben einen riesenhaften Fehler gemacht zu haben. Aber auch das kostete sie nur ein Lächeln. Und was Mitchs Gefühle anging – nun, das war sein
Weitere Kostenlose Bücher