Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
Nureddin fragte: »Gefällt sie dir, Fischer?« – »Ja wohl, bei Gott«, rief der Kalif aus. Nureddin fuhr alsbald fort: »Sie ist dein; ich mache dir ein Geschenk damit, ein Geschenk eines Edlen, der seine Gabe nicht zurücknimmt.« Zu gleicher Zeit stand er auf, nahm sein Kleid, das er abgelegt hatte und warf es dem Kalifen, den er immer nur für einen Fischer hielt, zu und sagte ihm, er möge sich nur mit der Sklavin auf den Weg machen; Enis Aldjelis sagte zu ihm, indem sie ihn anblickte: »Herr, willst du ohne Abschied von mir gehen? Wenn ich durchaus dich verlassen muß, so gestatte mir wenigstens, dir Lebewohl zu sagen.« Sie sang hierauf folgende Verse:
»Bist du auch fern von mir, so ist doch dein Platz in meinem Herzen, das ganz von dir erfüllt ist.«
»Ich hoffe zu dem Vater der Barmherzigkeit, daß er uns wieder vereinigen wird: dies erflehe ich als eine Gnade von Gott, der sie gewähren kann, wenn er will«,
Als sie damit zu Ende war, antwortete ihr Nureddin mit folgenden Strophen:
»Am Trennungstage hat sie mit weinenden Augen von mir Abschied genommen und mich gefragt, was ich nach ihrer Entfernung tun werde?«
»Da hab’ ich geantwortet: Frage dies den, der noch am Leben bleibt!«
Der Kalif, von Mitleid gegen die beiden ergriffen, wendete sich zu Nureddin und sagte zu ihm: »Herr, fürchtest du dich vor jemanden, oder hat jemand eine Forderung an dich?« – »Bei Gott, o Fischer! erwiderte Nureddin, »mir und diesem Mädchen sind wunderbare Dinge begegnet. Es wäre wohl der Mühe wert, sie jedem zur Warnung und Belehrung mit der Nadel in die Tiefe des Auges zu stechen.« – »O Herr«, versetzte der Kalif, »erzähle mir deine Geschichte, vielleicht wird dir Gott dadurch Erleichterung verschaffen, denn Gottes Hilfe ist überall nahe.«
Nureddin fragte den Kalifen, ob er die Erzählung in ungebundener Rede oder in Versen hören wolle. Der Kalif antwortete: »Prosa ist nur einfaches Gerede, Poesie aber eine Perlenschnur.« Nureddin sprach hierauf folgende Verse:
»Mein Teurer! mich flieht der Schlaf, und mein Gram nimmt mit jedem Tage zu, weil ich von der Heimat ferne bin.«
»Ich hatte einen Vater, dessen Liebling ich war; da schied er von mir und nahm das dunkle Grab zur Wohnung.«
»Seitdem ist mir Vieles widerfahren, das mein Herz verwundet und mein Inneres zerrissen hat.«
»Er hatte das feinste Mädchen mir gekauft, dessen Wuchs den schlanksten Baumzweig beschämte.«
»Da verlor ich alles, was ich geerbt hatte: denn ich war freigebig gegen wackere Menschen.«
»Als die Not zu groß ward, führte ich die Sklavin mit widerstrebendem Herzen auf den Markt.«
»Ein Ausrufer bot sie aus, und ein nichtswürdiger Alter steigerte sie: da entbrannte mein Zorn, und ich riß das Mädchen zurück.«
»Der Schurke geriet in Wut, und sein Gesicht zeigte Lust, Gewalt zu gebrauchen.«
»Aber ich verteidigte meine Ehre durch Schläge mit beiden Händen, bis ich meinem Herzen Luft gemacht hatte.«
»Voll Besorgnis wegen der Folgen dieser Tat kam ich in mein Haus zurück und fürchtete die Bosheit des Feindes.«
»Da befahl der König des Landes, mich zu greifen; aber ein ehrlicher Türsteher gab mir einen Wink und hieß mich in die Ferne ziehen, weit weg, um die bösen Menschen zu ärgern.«
»So flohen wir unter dem Flügel der Nacht von der Heimat, um uns nach Bagdad zu begeben.«
»Ich habe nichts mehr, als was ich dir o Fischer gegeben: dir schenkte ich die Geliebte meines Herzens, und es ist, als schenkte ich dir mein Herz.«
Als Nureddin geendigt hatte, bezeigte der Kalif sein Verlangen, auch die näheren Umstände von dem zu erfahren, was er soeben in der Kürze gehört hatte. Nureddin willfahrte ihm, und verschwieg nichts von allem, was ihm begegnet war von Anfang bis zu Ende.
Als der Kalif von seiner Lage unterrichtet war, fragte er Nureddin: »Und wohin willst du jetzt gehen?« – Er antwortete: »Gottes Erde ist breit und weit.« – »Ich will dir«, fuhr der Kalif fort, »ein paar Zeilen an den König Muhammed, Suleimans Sohn, mitgeben; sobald er sie gelesen hat, wird er dir nichts zuleid tun und in keiner Weise dir entgegentreten.« Nureddin entgegnete: »Wo hat man je gehört, daß ein Fischer, wie du, mit einem König in Briefwechsel steht?« Der Kalif erwiderte: »Wir sind zusammen bei demselben Lehrmeister in die Schule gegangen und ich war sein Unterlehrer, das Glück hat ihn dann zum König und mich zum Fischer gemacht; aber ich habe ihm noch nie in irgend einer
Weitere Kostenlose Bücher