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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
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meine Kleidung war in Grau- oder Brauntönen gehalten. Ein Blick in meine Schublade für die Unterwäsche, in der sich etwa drei Dutzend Baumwollschlüpfer, hüfthoch, mit und ohne Blümchen, stapelten und ein weiterer Blick in den Spiegel holten mich in die Realität zurück. Was ich sah, gefiel mir gar nicht. Seit zwanzig Jahren trug ich die gleiche langweilige Frisur. In meinem Kosmetikschrank befanden sich weder Lippenstift, noch Wimperntusche und auch kein Rouge.
    Georg saß relaxt im Sessel und las seinen Sportbericht.
    „Sag mal, findest du mich langweilig?“
    Er schaute kurz zu mir hoch und kräuselte die Stirn. „Wieso?“
    „Gefällt es dir, wie ich angezogen bin?“
    Er nahm mich flüchtig in Augenschein: „Du bist angezogen wie immer.“
    „Eben“, sagte ich etwas gereizt. „Und was ist mit den Haaren?“
    „Was soll damit sein? Sei froh dass du noch welche hast.“
    Ich war verärgert. Offensichtlich hatte sich Georg an mich ebenso gewöhnt wie an seinen blöden Sessel, der weder vom Stil noch von der Farbe in unser Wohnzimmer passte. „Ich bin am Computer“, sagte ich und ging.
    Georg nickte.
     
    „Guten Abend, lieber Joe! Ich bin Ihnen noch eine Antwort wegen der „Zwangsverheiratung“ schuldig. Meinen ersten Sohn Stefan habe ich mit Achtzehn bekommen. Zwei Jahre später kam Paul auf die Welt. Beide haben verschiedene Väter. Vermutlich widersprach das der sozialistischen Auffassung von Moral und Ethik. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf legte mir mein Chef nahe, nun endlich meinen Lebengefährten zu heiraten. Offiziell begründete er das damit, dass ich für ihn ein Sicherheitsrisiko darstellte. Und weil ich kein Sicherheitsrisiko sein wollte, heiratete ich den Mann, den ich eigentlich nicht mehr liebte. Erklärung genug? Gruß, Juliane“
    Sollte ich wirklich auf Senden drücken? Was wusste ich von Joe? Nichts. Aber genau das machte die Sache unkompliziert. Wir waren einander fremd, mit genügend Distanz zueinander. Ich konnte jederzeit den E-Mail-Kontakt abbrechen. Joe zeigte an mir und meinem Leben Interesse. Endlich nahm wieder jemand Notiz von mir. Wenn ich mich mit Georg unterhielt, hatte ich oft das Gefühl, dass ich es ebenso einer Klofrau vom Bahnhof Zoo hätte erzählen können. Auch die hätte nur genickt, mehr aus Anstand und nicht aus wirklichem Interesse an dem, was ich sagte.
    Ich hatte die Mail abgeschickt und hoffte, dass er gleich wieder antworten würde. Leider ließ sich Joe damit drei Tage Zeit.
     
    „Sorry, habe die Mail eben erst gelesen. Das mit dem Sicherheitsrisiko ist ein Scherz, oder? Was muss ich mir darunter vorstellen? Ach übrigens: Sie schreiben ‚Lieber Joe’. Richtig heißen muss es ‚liebe Joe’. Uns verbindet nicht nur der selbe Familienname, dieselbe Begeisterung fürs Schreiben, sondern auch dasselbe Geschlecht. ‚Joe’ ist die Koseform von Joelina. Grüße, Joe“
    Diese Information schlug mir die Beine weg. Wie peinlich, ich war im Begriff, mit einer Frau einen Flirt einzugehen. Das hätte sie mir aber auch etwas früher mitteilen können. Wahrscheinlich hatte sie auch noch Spaß daran, mich hinters Licht zu führen. Sie muss doch gemerkt haben, dass ich sie für einen Mann hielt. Ich beschloss, gelassen zu reagieren und schrieb: „Ein schöner Name. Kommen Sie eigentlich aus dem Ost- oder Westteil Berlins?
    „Ich bin Ostberlinerin. Warum ist das wichtig für Sie?“
    „Um zu wissen, wie weit ich ausholen muss. Als Sekretärin vom Politstellvertreter des Polizeikreisamtes, war mir alles was auch nur westlich angehaucht aussah, untersagt. Ja und nun stellen Sie sich vor, ich hätte mich in einen Klassenfeind verliebt. Um dieses Risiko auszuschalten, wurde mir also angeraten, zu heiraten.“
    „Das ist grotesk“, schrieb sie zurück.
    Wahrscheinlich war das auch für meinen Rechner zuviel. Der fuhr einfach herunter. Ich starrte auf den schwarzen Monitor und wurde kopflos. Obwohl ich wusste, dass Georg mir Vorhaltungen machen würde, lief ich die Treppe hinunter und rief nach ihm. „Kannst du bitte mal nach dem Computer schauen?“ Nachdem ich ihm das Dilemma erklärt hatte, spielte sich Georg in gewohnter Weise als Großinquisitor auf. Im Mittelalter hätte er mich vielleicht vierteilen lassen. So beschränkte er sich darauf, mir notorische Dummheit zu unterstellen und tadelte mich, wie man es mit einem ungezogenen Kind tat. Und ehe er mich vielleicht noch in die Ecke stellte, zog ich mich zurück. Ich fühlte mich

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