Tausendundeine Stunde
wütend davon.
Flo folgte mir, umarmte mich und himmelte mich an. Er hatte diesen Kleinjungenblick aufgelegt, der meinen Mutterinstinkt rührte. Und schließlich versprach ich ihm, mich nicht mehr mit Bennet zu treffen.
Am Abend holte mich Flo von der Arbeit ab. Er hatte einen Strauß Blumen gekauft und mir einen poetischen Brief geschrieben. Ich war gerührt. Nach der Hälfte des Briefes lachte ich schallend: „Alter Filou! Das sind Vorlagen aus dem Internet. Ich habe keine glutvollen braunen Augen, du Spinner. Das hast du vergessen zu korrigieren.“
„Tatsächlich? Zeig her. Da bin ich wohl entlarvt. Alles andere stimmt aber. Ich bin mächtig stolz auf dich, Jule. Du bist mir das Wichtigste, was ich habe.“
Ich fühlte mich in diesem Moment, als hätte ich den heiligen Gral gefunden. Meine Suche war beendet. Zum Greifen nah saß der Mann, der endlich die Worte aussprach, nach denen ich mich mein Leben lang gesehnt hatte. Ich war ihm das Wichtigste. Ich spielte die erste Geige. Wirklich?
Wenige Tage später kam ich auf die unselige Idee, Flos Schreibtisch einzuräumen und dabei fielen mir ein Dutzend Pornos in die Hände. Wozu brauchte er die?
War ich für ihn schon unattraktiv? Ich rannte zum Spiegel. Tatsächlich, ich hatte an den Hüften ganz schön zugelegt. Und an meinem Hals schwabbelte die Haut fast wie bei einem Truthahn. Was war mit meinen Oberarmen? Ich stellte mich nun zur Seite und schüttelte den Arm. Auch da zitterte angstvoll eine Masse von Fett. Ich war deprimiert. Dieser Zustand wandelte sich rasch, denn nun fand ich einen Kalender von Beate Uhse. Wozu brauchte er diesen Mist? Auf einer der berüchtigten DVDs stand „Dirty Oma zeigt’s dir.“ Jawohl, beschloss ich, dir werde ich es zeigen. Ich blätterte in diesem Kalender und entdeckte eine aufreizende Blondine in schwarzem Lack und Leder. Sie hatte ihren Kopf keck zu Seite gedreht, ihr Busen war halb entblößt und ihr Hintern prall und mächtig. Und wie sich mich so anlächelte, kam mir der geniale Einfall, dass ich ihren Kopf mit einem Foto von Flo überkleben könnte. Ich kramte in unserer Fotokiste und entdeckte ein Bild, auf dem Flo ziemlich zerzauste Haare hatte und außerdem von der Größe und der Haltung des Kopfes her bestens passte. Ich schnitt Flos Kopf aus und überklebte damit das hübsche Gesicht der Blondine. Ich hatte das Werk vollendet und fing nun furchtbar an zu lachen. Das sah so grotesk aus. Flo im schwarzen Lackkorsett mit Strapsen. Ich band nun die DVDs zusammen, klopfte einen Metallstift in die Wand und hängte die Pornos quasi an den Nagel. Neben seinen Monitor legte ich einen Zettel: „Wenn es dir gelungen ist, deinen Computer zu vögeln, sag mir Bescheid!“ Ich hielt diese drastische Maßnahme für erforderlich, denn wahrscheinlich hätte ich den Ärger darüber heruntergeschluckt, sobald mich Flo wieder unschuldig grinsend angeschaut hätte. Trotzdem brauchte ich vorab ein Statement von einem Mann. Ich wollte wissen, warum Männer so etwas brauchen. Und da ich zu meinen Söhnen von je her ein sehr offenes, ja freundschaftliches Verhältnis hatte, rief ich zuerst Stefan und dann Paul an. Stefan lachte nur, vor allem über die Geschichte mit Flo im Korsett. Er konnte mir auch keine rechte Antwort geben, denn er hüte sich, an so etwas überhaupt zu denken. Er war fest davon überzeugt, dass ihn seine Frau kastrieren würde, hätte sie nur einen einzigen Porno bei ihm entdeckte. Paul riet mir, das nicht so ernst zu nehmen. Männer wären so und das brauchten sie hin und wieder, selbst in einer sehr glücklichen Beziehung.
Das sagte er bestimmt nur, um mich zu beruhigen.
Auf Flos Erklärung war ich gespannt, das wollte ich aber mit ihm klären, wenn er wieder zu Hause wäre und nicht am Telefon.
Obwohl ich diese Angelegenheit diplomatisch klären wollte, ging ich, kaum dass er zu Hause eingetroffen war, frontal auf ihn los und hatte damit unseren ersten handfesten Streit inszeniert. Ich schnappte mir mein Kopfkissen und die Zudecke und wollte ins Wohnzimmer. Flo verstellte mir den Weg: „Wo willst du denn damit hin?“, fragte er nun ganz unschuldig und riss dabei seine Augen weit auf, als hätte er ein UFO gesichtet.
„Zur Bettfedernreinigung, was sonst?“ Ich lachte nun selbst über mich und fragte: „Was tun wir eigentlich? Wir sollten jede Minute, die wir miteinander teilen können, genießen.“
Er nahm mir das Bettzeug ab und brachte es ins Schlafzimmer zurück. Ich hörte ihn herzhaft
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