Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
Vom Netzwerk:
versteckt er sie.«
    »Jemand im Bereich Altona? … Vierdoppelneun, der Imbiss Kosovo.«
    »Hah, Imbiss Kosovo! Nimm das bloß nie an. Größte Dichte an Schwerverbrechern, die du in einem Hamburger Lokal finden kannst«, sagte Rüdiger. »Club 57 ist gar nichts dagegen.«
    »Nochmal für die Barnerstraße.«
    »Siehst du. Vierdoppelneun hat auch zurückgegeben. Nimm das bloß nicht an. Dietrich ist eigentlich Künstler. Frag ihn mal nach seinen Bildern und besteh darauf, dass er sie dir alle zeigt. Leider hat er ja überhaupt keinen Ehrgeiz. Immer wenn ich ihm anbiete, eine Ausstellung für ihn zu organisieren, winkt er ab. Es ist ihm nicht wichtig, etwas zu gelten in der Welt. Kannst du dir das vorstellen? Diese unglaubliche Vornehmheit der Seele. Er will sich nicht mit anderen messen, weil es ihm nichts bedeutet.«
    »Die Barner Straße. Imbiss Kosovo. Fährt das jetzt mal jemand?«
    »Es ist ihm einfach völlig egal, was andere von seinen Bildern halten. Vermutlich wird er erst nach seinem Tod entdeckt werden.«
    Ich unterdrückte ein Gähnen.
    »Imbiss Kosovo!« , rief die Funkerin. »Bitte, Kollegen! Jetzt lassen Sie mich doch nicht hängen.«
    »Leider hat seine Bescheidenheit aber auch zur Folge, dass alle seine Gemälde bloß bei ihm in der Wohnung herumstehen«, klagte Rüdiger. Dann fing er davon an, was für ein unvergleichlicher Briefeschreiber Dietrich sei. Ach, wenn er doch nur öfter schreiben würde. Unvergleichliche Briefe hatte Rüdiger früher von ihm bekommen, ganz wunderbare Briefe, kostbare Schätze. Rüdiger machte sich beinahe ins Hemd.
    »Dietrich ist eigentlich der Begabteste von uns allen«, jaulte er, »nur eben leider ohne jeden Ehrgeiz. Ist dir eigentlich klar, mit wem du da zusammen bist? Das ist nicht irgendjemand. Du musst darauf achten, dass du dich seiner würdig erweist.«
    Am liebsten hätte ich das Handschuhfach geöffnet und reingekotzt.
    »Imbiss Kosovo« , rief die Funkerin wütend. »Ist ’n guter Kunde. Kollegen! Warum fährt das keiner? … Vierdoppelneun, wo sind Sie jetzt? … Gut, Vierdoppelneun, dann fahren Sie jetzt doch den Imbiss Kosovo! … Vierdoppelneun, ich werde nicht mit Ihnen diskutieren. Entweder Sie fahren jetzt, oder ich trag Sie ein. … Danke, Vierdoppelneun. … Karl-Muck-Platz …«
16
    Der Mann, den ich vor einem kleinen Bordell in der Nähe des Fernsehturms aufsammelte, war auf eine asoziale Art dünn. Er hatte schüttere hellblonde Haare, die mit seiner käsigen Gesichtsfarbe verschmolzen. Sein grauer Anorak schlotterte um ihn herum. Er stieg vorn ein und brachte einen Schwall kalter Luft mit. Dann machte er es sich gemütlich, wickelte seinen Schal ab und zog den Reißverschluss seines Anoraks auf.
    »Nach Rahlstedt, ich sag dann schon wo.«
    Bevor ich den Taxameter einschalten konnte, drückte er mir vierzig Mark in die Hand.
    »Stört es, wenn ich rauche?«
    Er steckte sich eine an. Nicht genug, dass die Fahrgäste einen vollrauchten, nein, sie zwangen einen auch noch jedes Mal, zu behaupten, dass es einem nichts ausmachte. Sich in einem so kleinen geschlossenen Raum wie einem Taxi eine Zigarette anzuzünden, das ist, als würde man jemandem in sein einziges Glas Wasser spucken. Etwas an dem Kerl stimmte nicht. Ich konnte nicht sagen was, außer dass er schnell und übergangslos anfing, über Huren zu sprechen.
    »Mensch, die waren da vielleicht hässlich«, sagte er und winkte mit dem Kopf Richtung Nackenstütze, »waren die hässlich! Ich dachte erst, das wäre die Reinigungskolonne, aber nein, das waren die Nutten selbst.«
    Ich schwieg und hoffte, dass er ein anderes Thema anschneiden würde. Der Puff, aus dem er kam, war eine grundböse Einrichtung. Einmal hatte ich miterlebt, wie einer der Kunden ein trauriges Thai-Mädchen anblaffte: »Lächeln! Du musst lächeln! Das ist dein Job.«
    Mein Fahrgast fragte, ob es nicht gefährlich sei, nachts Taxi zu fahren, ob ich keine Angst hätte. Er duzte mich, aber das taten fast alle.
    »Nein«, sagte ich, »eigentlich nicht. Aber ich denk auch nicht ständig darüber nach.«
    »All die Besoffenen«, sagte er.
    »Ein guter Job«, sagte ich. »Flexible Arbeitszeiten, ein Mercedes als Dienstwagen, niemand über mir, keiner unter mir – ein grundanständiger Beruf.«
    »All die Besoffenen«, sagte er noch einmal. »Ich möchte das nicht machen.«
    Das hörte ich ständig: Deinen Job möchte ich nicht machen. Das sollte man sich mal trauen, seinem Friseur oder Zahnarzt zu sagen: Also Ihren Beruf

Weitere Kostenlose Bücher