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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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möchte ich auch nicht machen, Leuten auf dem schuppigen Kopf rumzufingern, beziehungsweise wildfremden Menschen in die fauligen Mäuler zu greifen. Urologen, Fußpflegerinnen, Busfahrer, Klempner – alle diese Berufe genossen allgemeinen Respekt, wohingegen ich mir mit schlafwandlerischer Sicherheit den Job ausgesucht hatte, den alle Welt glaubte verachten zu dürfen.
    »Was verdienst du denn so«, fragte der dünne Mann. Ich machte ein besorgtes Gesicht. Das gefiel ihm. Wir kamen zügig voran, die mitternächtlich schwarzen Straßen waren frei und trocken. In Rahlstedt zeigte der Mann in eine dunkle Einfahrt, die nicht zu einem Haus, sondern zu einer Viehweide führte.
    »Fahr da rein.«
    Ich dachte mir nichts dabei. Ich hatte schon Leute mitten in der Nacht in einem finsteren Wald abgesetzt oder vor dem verschlossenen Eingang des Ohlsdorfer Friedhofs. Dietrich hatte einmal einen Mann mit gehetztem Blick und einer schweren blauen Mülltüte auf dem Schoß zu einer einsamen Stelle an der Elbe gefahren. Viehweide war dagegen ja vergleichsweise harmlos. Ich hielt an und wartete, dass der Mann aussteigen würde. Bezahlt hatte er ja schon. Er blieb aber sitzen.
    »Wie wäre es«, sagte er, »wie wäre es, wenn ich dir fünfhundert Mark schenken würde, hm? Einfach nur so, hm? Was hältst du davon?«
    »Nee, nee, nee«, sagte ich, »kommt ja gar nicht in Frage. Ich finde, du steigst jetzt aus.«
    Es kam schon mal vor, dass einem jemand Geld schenkte, fünfzig oder hundert Mark. Oft passierte das natürlich nicht, doch es kam vor. Aber dieser Mann war einfach nicht der Typ, der etwas verschenkte.
    »Du weißt doch noch gar nicht, was ich dafür will«, sagte er, öffnete sein Portemonnaie, holte fünf saubere, glatte Hundert-Mark-Scheine heraus und legte sie nebeneinander aufs Armaturenbrett.
    »Ich verlang ja gar nichts. Ich schenk sie dir einfach nur so. Du musst überhaupt nichts tun. Ich will dich bloß einmal anfassen.«
    Fünfhundert Mark, das war eine Ferntour nach Göttingen, mindestens, ohne bei Mergolan hinterher erklären zu müssen, wieso so viele Kilometer auf dem Tacho standen. Die Scheine lagen immer noch auf dem Armaturenbrett. Einer wackelte leicht im Wind des Gebläses.
    »Nee, nee«, sagte ich, »pack dein Geld mal wieder ein. Wo denn überhaupt?«
    »Nur am Knie«, sagte er.
    Am Knie. Ans Knie fasste mir jeden Abend irgendein Betrunkener. Dafür warf ich die Leute noch nicht mal aus dem Taxi. Dafür stauchte ich sie bloß zusammen.
    »Okay«, sagte ich, »am Knie.«
    Es war dunkel vor der Viehweide. Der Mann legte seine Hand auf mein Knie, streichelte über den Jeansstoff, ließ seine Hand etwas höher rutschen und öffnete gleichzeitig mit der anderen den Reißverschluss seiner Hose. Was hatte ich denn erwartet? Gott, war ich blöd. Wie konnte man nur so blöd sein?
    Ich langte über ihn hinweg, wobei ich mich halb auf ihn legen musste, öffnete die Beifahrertür und knuffte und schob ihn nach draußen. Er nahm die Geldscheine vom Armaturenbrett und blieb neben dem Taxi stehen. Ich knallte die Tür zu, preschte mit heulendem Motor rückwärts aus der Einfahrt und raste zurück in die Innenstadt. Ein schmieriges Gefühl breitete sich in mir aus. Nach einigen Kilometern betrachtete ich im Rückspiegel mein Gesicht. Es gab da so einen gemeinen, raffgierigen Zug um meine Augen. Charakterlos. Käuflich. Aber das war es nicht, was mir zu schaffen machte. Was mich wirklich beschmutzte, war, dass ich das Geld nicht bekommen hatte.
17
    Gegen vier Uhr morgens sah ich die Wagen von Dietrich, Rüdiger, Udo-Dreidoppelsieben und Taximörder vor dem Gestern und Heute stehen und beschloss, ebenfalls eine Pause zu machen. Sie saßen gleich links am Fenster. Ich zog mir einen Stuhl vom Nebentisch heran und setzte mich dazu.
    »Stellt euch vor«, sagte ich, »vorhin hat mir ein Fahrgast fünfhundert Mark geboten, wenn er mir dafür einmal ans Knie fassen darf.«
    »Die Fahrgäste sind doch alles Dreckhecken«, sagte Dietrich.
    »Fünfhundert Mark«, sagte Udo-Dreidoppelsieben, »unglaublich. Und? Hast du es getan?«
    »Natürlich nicht.«
    »Wieso nicht?«, fragte Udo-Dreidoppelsieben. Er hatte Bierschaum am Schnäuzer. »Für fünfhundert Mark? Das hätte ich sofort gemacht.«
    »Ja denkst du denn im Ernst, der würde dann nicht noch mehr versuchen?«
    Seine Ahnungslosigkeit war wirklich bestürzend.
    »Na und? Für fünfhundert Mark hätte ich ihm auch einen runtergeholt«, sagte Udo-Dreidoppelsieben.
    »Äääh, das

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