Taxi
es nicht mehr schwierig.«
Er stand auf und machte das Deckenlicht aus, knipste stattdessen die Glaskugeln an. Ich beobachtete ihn, wie er den Arm nach dem Lichtschalter streckte, und fragte mich, was ich hier eigentlich machte. Dann setzte Marco sich wieder auf das Bett und küsste mich, und dann fragte ich mich das nicht mehr. Ich schob meine Hände unter sein Hemd. Er hatte eine ungewöhnlich kräftige Rückenmuskulatur.
»Ich kann diesmal aber nicht so lange bleiben«, sagte ich, »nur bis zehn.«
»So, du kannst also nur bis zehn«, sagte Marco. »So lange brauche ich gar nicht. Leg dich hin.«
Er streckte sich neben mir aus, öffnete den Knopf meiner Jeans und zog den Reißverschluss herunter. Ich packte seine Hand und hielt sie fest.
»Was ist?«, fragte Marco pampig. »Ich dachte, wir haben nicht so viel Zeit?«
Ich ließ seine Hand wieder los, und er zog mir die Jeans von den Hüften und dann von den Beinen. Ich wollte mir die Unterhose abstreifen, aber Marco schob meine Hand beiseite und tat es selbst. Dann öffnete er den Reißverschluss an seiner Hose und legte sich vollständig angezogen auf mich.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte ich.
»Aber ja«, sagte Marco fröhlich und angelte nach den Kondomen, die er zwischen Bettgestell und Futon deponiert hatte. Zehn Minuten später war er tatsächlich fertig. Er rollte sich von mir herunter und blieb neben mir liegen. Ich drehte mich zu ihm. Marco entsorgte das Kondom und zog seinen Reißverschluss wieder hoch. Er sah mich spöttisch an, aber gleichzeitig fasste er mir sanft in die Haare und streichelte meinen Nacken.
»Wir haben noch eine Stunde – wollen wir was trinken gehen? Vielleicht rüber in’n Dschungel?«
»Auf gar keinen Fall«, sagte ich.
»Wieso nicht? Ist es dir peinlich, dich mit mir zu zeigen?«
Ich war tatsächlich nicht besonders scharf darauf, mit einem Kleinwüchsigen aufzutreten.
»Quatsch«, sagte ich. »Aber ich habe einen Freund, dem ich nicht über den Weg laufen will.«
Marcos Griff in meinen Haaren wurde fest, beinahe grob.
»Und«, fragte er, »glücklich?«
Ich zuckte die Schultern und versuchte, Marco zu küssen. Aber er hielt mich immer noch an den Haaren fest.
»Ich glaube, du musst jetzt los!«, sagte er.
36
Rüdiger und ich stritten weiter. Wir stritten uns in Kneipen, in Taxis und auf der Straße. Wir stritten uns so laut, dass die Leute den Kopf nach uns drehten. Am schlimmsten stritten wir uns, wenn Dietrich dabei war. Aber es gehörte auch zu Rüdigers Wahn, dass er zwischendurch immer mal wieder vergaß, wie minderwertig ich war und wie sehr er mich verachtete, und anfing, mir sein Herz auszuschütten. Die Frauen behandelten ihn schlecht. Kein Zweifel, sie behandelten ihn schlecht. Nicht nur Melanie aus dem Funny Club. Und Dietrich hatte früher so fantastische Briefe geschrieben und schrieb jetzt gar keine mehr. Dabei waren sie doch von klein auf die besten Freunde. Ein und aus war er bei Dietrichs Familie gegangen und hatte auch dort übernachtet.
»Dietrich hat eine ganz sanfte, mütterliche Mutter«, erzählte mir Rüdiger am Bahnhof Altona. »Sein Vater … oha …, aber seine Mutter ist völlig anders. Er konnte ja morgens nie aufstehen, und dann kam immer seine Mutter herein und rief ganz leise und sanft: Dietrich, aufstehen .«
Rüdiger bemühte sich, die Helligkeit und Zartheit des Weckrufs wiederzugeben.
»Dietrich, aufstehen«, zirpte er noch einmal, berauscht von der eigenen Fähigkeit, mütterlichen Wohlklang nachzuahmen. Mir wurde übel. Ich öffnete das Seitenfenster und spuckte meinen Kaugummi auf den Taxihalteplatz. Der Taxifahrer, der mit seinem Wagen neben mir stand, sah mich wütend an. Eigentlich wartete ich mit dem Ausspucken des Kaugummis immer, bis ich an der Kreuzung Schäferkampsallee/Rentzelstraße vorbeikam. Ich kaute rund acht Kaugummis pro Nacht, das waren an die zweihundert Kaugummis im Monat, und wenn ich die Kaugummis immer an derselben Stelle aus dem Fenster spuckte, musste man doch irgendwann mal was sehen. Aber bisher sah man nichts.
Als Rüdiger von seiner eigenen Mutter sprach, kam die nicht so gut weg.
»Da lag ich auf dem Boden«, erzählte Rüdiger, und seine Stimme zitterte vor Empörung bei dieser Erinnerung, klang aber gleichzeitig auch irgendwie stolz, »ich lag auf dem Boden und mein Vater zerschlug den Stuhl auf mir, und dann nahm er das Stuhlbein und schlug weiter auf mich ein, und ich versuchte bloß noch mein Gesicht zu schützen. Und meine
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