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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Mutter, verstehst du, meine Mutter, die stand daneben und tat gar nichts. Die machte nicht mal den Versuch, mir zu helfen.«
    Es erstaunte mich jedes Mal wieder, dass er – trotz allem, was er mir schon ins Gesicht geschleudert hatte – nie im Geringsten daran zweifelte, dass ich Verständnis und Mitgefühl für ihn aufbringen würde.
    »Schlimm«, sagte ich, »wirklich schlimm. Aber wieso bist du bloß auf deine Mutter wütend? Ist ja nicht schön, dass sie dir nicht geholfen hat, aber wer dich geschlagen hat, das war ja wohl dein Vater. Warum bist du nicht auf deinen Vater wütend? Deine Mutter hat doch gar nichts getan.«
    »Das ist es doch«, heulte Rüdiger auf, »sie hat einfach nichts getan. Sie ist meine Mutter und sie sieht einfach zu, wie ich zusammengeschlagen werde. Ich hätte es dir überhaupt nicht erzählen sollen.«
    »Bahnhof Altona.«
    »Zwodoppelvier.«
    »Zwodoppelvier, Behringstraße 18 für Sabinski, kommt runter.«
    »Behring 18 für Sabinski. Danke Zwodoppelvier.«
    »Danke Zwodoppelvier.«
    Ich stieg aus und ging zu dem Taxi, das vor mir stand. Am Altonaer Bahnhof warteten die Taxis in drei Reihen nebeneinander. Die seitliche Ausfahrt versperrten Parkplätze.
    Ich stellte mich neben das Seitenfenster des Taxis, aber der Fahrer las in einer Bild-Zeitung und tat, als bemerkte er mich nicht. Ich klopfte. Der Fahrer sah mich an und gleich wieder in seine Zeitung. Es war einer von diesen alten Saftsäcken, die sich so benahmen, als gehörte der Taxistand Altonaer Bahnhof ihnen. Diese Typen stellten sich nur in Altona auf, sonst nirgends, höchstens vielleicht noch am Flughafen. Sie kannten sich alle untereinander und sie versuchten, jeden anderen, der es wagte, den Altonaer Taxistand anzufahren, durch fiese Blicke, Kommentare und Schikanen zu vertreiben. Sie waren damit ziemlich erfolgreich. Ich kannte niemanden, der sich gern in Altona anstellte.
    Ich öffnete die Fahrertür und beugte mich zu ihm herunter.
    »Kannst du mal vorziehen und mich rauslassen«, sagte ich. »Ich habe gerade eine Funktour angenommen.«
    »Tür zu«, brüllte der Taxifahrer hasserfüllt und riss mir die Fahrertür aus der Hand, dass sie knallend wieder ins Schloss fiel.
    Ich ging zu meinem Wagen zurück, um die Funktour wieder abzugeben. Rüdiger war ausgestiegen und stand daneben. Ich wusste, dass ich nicht auf seine Unterstützung zu rechnen brauchte.
    »So sind die«, sagte Rüdiger. »Zu mir hat mal eine von den Graupen gesagt: Alle Fünftausendernummern ins Gas. Ich habe zuerst gar nicht begriffen, was der gemeint hat. Der hat natürlich die Konzessionsnummer gemeint. Die alten Graupen, die fahren ja alle schon ewig und haben deswegen auch ganz niedrige Konzessionsnummern, teilweise bloß dreistellig. Und die Fünftausendernummern, das sind die Taxis, die erst in den letzten paar Jahren zugelassen worden sind, die Taxis, die wir fahren.«
    Kurz darauf stand ich an erster Stelle in der Warteschlange und bekam einen Anläufer zur Reeperbahn. Normalerweise wäre ich jetzt zum Karl-Muck-Platz gefahren, aber diesmal drehte ich um und fuhr zurück nach Altona. Ich stellte mich wieder vor den Bahnhof und nahm einfach keine Funktouren an. Die ganze Nacht über fuhr ich ausschließlich den Altonaer Bahnhof an.
37
    Ich stand als erstes Taxi am Flughafen und versuchte, durch bloße Willenskraft die elegant gekleidete Frau mit dem kleinen Koffer dazu zu bewegen, langsamer zu gehen, damit der schwitzende dicke Mann hinter ihr sie überholen konnte und er es sein würde, der bei mir einstieg. Elegante Frauen, die mit kleinen Koffern vom Flughafen kamen, fuhren mit 85%iger Wahrscheinlichkeit nach Eppendorf. Also eine Schrotttour für zwölf achtzig. Bei dem schwitzenden dicken Mann hingegen war alles möglich. Er trug eine flache schwarze Aktentasche, und als er einstieg, sah ich an seinem feisten, glatten Gesicht, dass er trotz seiner Massen sehr jung war, beinahe noch ein Kind.
    »Sechzehn«, sagte er, als ich ihn fragte. Er wollte nach Rothenburgsort, eine schöne runde Fünfunddreißig-Mark-Tour.
    »Wieso fliegt ein Sechzehnjähriger mitten in der Woche durch die Gegend und lässt sich dann mit dem Taxi nach Hause chauffieren? Erklär mir das«, sagte ich. »Was habe ich falsch gemacht?«
    Er war Computerspezialist. Saß zu Hause rum und tüftelte an seinen Computern. Und er hatte etwas erfunden – ein Gerät oder vielleicht war es auch nur eine Technik, genau verstand ich das nicht – mit dem man von ausländischen

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