Taxi
die Windschutzscheibe geflogen war. Aber nichts mit eigenen Händen. Das Einzige, was ich im Kofferraum fand, war der Wagenheber. Ich nahm Tossi das Kaninchen aus dem Arm. Es war ganz ruhig. Sein Fell fühlte sich warm und weich an. Ich packte es mit der linken Hand so vorsichtig wie möglich an den Ohren. Mit der rechten holte ich aus und hieb ihm den Wagenheber ins Genick. Das Kaninchen erschlaffte. Ich war überrascht, dass es so einfach gewesen sein sollte. Dann schoss plötzlich wieder Leben in den Körper. Das Kaninchen krümmte sich, kickte mit den Hinterbeinen und stieß einen langgezogenen hohen Schrei aus. Auch Tossi fing an zu schreien.
»Mach es tot«, schrie er, »mach es doch tot!«
Ich legte das Kaninchen auf die Straße. Ich wollte seinen Hinterkopf treffen, aber es rollte auf den Rücken und schrie immer noch. Es hatte Angst und Schmerzen, ich konnte mir nicht die Zeit nehmen, es umzudrehen. Also blieb mir nichts übrig, als mit dem Wagenheber mitten in sein Gesicht zu schlagen. Ein Ohr flog weg, und das Kaninchen schrie immer noch, und dann krachten Knochen, und ich schlug noch einmal in sein Gesicht und noch einmal, und dann war es nur noch Tossi, der schrie.
»Mach es tot! Mach es doch endlich tot!«
Ich hob das Kaninchen an seinem einen Ohr auf und legte es in den Rinnstein.
»Gott, bist du brutal«, sagte Tossi.
Ich verstaute meinen blutigen Wagenheber im Kofferraum, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Dann fuhr ich zurück in die Innenstadt und weiter zur Reeperbahn.
35
Es war jetzt drei Wochen her, dass Majewski in die Anden geflogen war. Ich hatte die ganze Zeit nichts von ihm gehört. Als ich seinen schwarzweißen BMW vor der Bäckerei parken sah, ging mir auf, dass er womöglich schon seit Tagen zurück war, und sich bloß nicht bei mir meldete. Da ich Majewski gegenüber ständig darauf bestand, dass wir kein Paar seien, konnte ich mich deswegen natürlich schlecht beschweren. Trotzdem spürte ich einen kleinen Stich. Ich sagte mir, dass ich es ja jederzeit beenden konnte, wenn es anfing, kränkend und unangenehm zu werden.
Eine halbe Stunde später platzte er in meine Wohnung. Er schloss die Tür mit einem Fußtritt und zog mich auf den Boden.
»Ich bin wieder da.«
»Das habe ich gemerkt.«
Er zog sich das schlottrige Hemd über den Kopf und warf es gegen meinen Schreibtisch, wo es über der Kante hängenblieb wie eine geschmolzene Uhr von Dalí. Majewskis Rippen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab. In Peru hatte er sich einen Darmvirus eingefangen.
»Ich bin fast daran krepiert«, sagte er, »ich war völlig dehydriert.«
Ich fuhr mit den Fingern über die Narbe auf seiner Brust, die Stelle, wo Heike ihn gebissen hatte. Majewski presste sein Kinn an den Hals, um selber die Narbe noch einmal zu begutachten. Das Dramatische und Komplizierte in seinem Leben erfüllte ihn stets mit Stolz.
»Meine Schwester hat mich jetzt auch geschlagen. Ich habe mit Heike bei meinen Eltern im Wohnzimmer gesessen. Meine Schwester war auch da. Und dann haben die beiden immer miteinander geflüstert. Ich habe schon gemerkt, dass meine Schwester Heike aufhetzen wollte. Und dann ist sie zu mir rübergegangen und hat gesagt, ich soll da jetzt zu Stellung nehmen, warum ich so ein Schwein sei. Sie wollte unbedingt wissen, warum ich Heike so behandeln würde, und ich habe ihr gesagt, sie soll abhauen. Ich rede doch nicht mit der da drüber. Und – batsch – hat sie mir eine runtergehauen. Astrid hat auch mal gesagt: die, die immer sagen, dass ich ein Schwein sei, die kennen mich eben bloß nicht richtig. Mit meiner Schwester rede ich jetzt kein Wort mehr. Das macht die völlig fertig. Heute Morgen kam sie in die Küche, wo ich mit meiner Mutter stand. Ich bin einfach rausgegangen.«
Er schob mir eine Hand in die Hose.
»Ich hab nicht viel Zeit«, sagte er. »Ich muss gleich zurück nach Bremen zu Heike. Aber ich bin morgen wieder da, und dann können wir ja was zusammen unternehmen.«
Ich nahm seine Hand und zog sie aus meiner Hose heraus. Ich stand auf.
»Was ist mit dir?«, fragte Majewski und rappelte sich ebenfalls auf. »Du hast so ein bedrücktes Gesicht. Bist du etwa schwanger?«
»Findest du es nicht ein bisschen spät, sich jetzt darüber Sorgen zu machen?«, sagte ich giftig. »Jetzt bringt das nichts mehr.«
»Ach, du brauchst dir deswegen überhaupt keine Gedanken zu machen. Ich bin höchstwahrscheinlich unfruchtbar. Ich habe nämlich erst ziemlich spät Mumps
Weitere Kostenlose Bücher