Taxi
bediente. Der Schreibtisch war eine Neuanschaffung. Eine Spezialanfertigung in RAL 1015. Lauter kleine funkelnde Taxizeichen in der Form von Dachschildern waren in den Lack eingelassen. Sie waren nicht einfach bloß draufgesprüht, sondern steckten richtig tief drin – unter und über sich mehrere Schichten Klarlack. Nachdem Udo weggefahren war, polierte ich als Erstes den Schreibtisch, bis er glänzte. Davon hatte Udo nichts gesagt. Ich machte es, weil ich Spaß daran hatte. Dann kam ein Fahrer, um Geld abzugeben. Dann putzte ich das Fenster. Dann kamen zwei Fahrer, die ihre Taxischlüssel haben wollten. Dann schlenderte ich in die Werkstatt, um nachzusehen, ob Nusske schon da war. Es war aber noch zu früh.
Als ich an den Schreibtisch zurückkehrte, kam gerade ein kleiner Mensch mit einem riesigen roten Turban zur Tür herein. Er hatte eine dunkle Hautfarbe und hüllte sich in ein glitzerndes blaues Cape. Über seiner Schulter hing eine Ledertasche. Er reichte mir seine Visitenkarte: SAMU SAMRAI – WAHRSAGER UND LEBENSGESTALTER.
»Danke, kein Interesse.«
Er riss seine Augen weit auf, fixierte meine Stirn und sagte: »Du sehr unglücklich. Du lachen, aber in Herz du sehr unglücklich. Du mit zwei Männern.«
Ich zögerte einen Moment zu lange, und er schnappte sich einen Stuhl, setzte sich mir gegenüber und behauptete, dass sich mein Schicksal ab April wenden würde. Überhaupt sah alles ganz wunderbar aus und ich würde fünfundachtzig Jahre alt werden.
»Es dir gehen … äh, wie sagen … finanziell sehr schlecht?«
Ich nickte.
»Aber alle denken, du viel, viel Geld. Das kommen … wie sagen … du viel Geld rein, aber auch wieder raus.«
Offenbar hielt er mich für die Chefin. Plötzlich steckte er mir einen zerknüllten Zettel in die Hand und raunte:
»Sag eine Zahl zwischen eins und zehn.«
»Drei.«
»Ruhig aufmachen.« Er klopfte mir ermunternd auf den Arm. Auch auf dem Zettel stand eine krakelige Drei. Ich ärgerte mich, dass ich sofort mit der Drei herausgeplatzt war. Ich hätte es ihm nicht so leicht machen dürfen. Jetzt hatte er irgendwie gewonnen. Ich fragte ihn nach seinem Honorar.
»Das sein unterschiedlich. Manche geben hundert, manche dreihundert. Wer sehr wenig Geld haben, geben nur fünfzig.«
Ich holte einen zerknitterten Zwanzig-Mark-Schein aus meiner Hosentasche und strich ihn auf dem Tisch glatt.
»Naah, das zu wenig.«
Bedauernd hob ich die Schultern. Ich hoffte schon, ihn losgeworden zu sein, da schnappte er sich den Zwanziger und ließ ihn in seiner Ledertasche verschwinden.
»Was sein dein Herzenswunsch: Kinder oder Heirat?«
»Geld.«
»Nicht Geld. Kinder oder Heirat! Kinder?«
»Ich kann Kinder nicht ausstehen.«
Er seufzte und fragte nach meiner Lieblingsblume.
»Fliegenpilz«, sagte ich aus Bosheit.
»Nein, ich nicht kenne. Andere Blume!«
»Flieder.«
Er seufzte wieder. Dann schrieb er mit einem von den Mergolan-Kugelschreibern die Wörter Rose, Tulpe, Lilie und Jasmin auf einen Abrechnungsblock. Ich sollte zwei Blumennamen ankreuzen. Er war ein erbärmlicher Wahrsager. Wenn man nicht völlig simpel funktionierte, war er sofort aufgeschmissen.
Ich kreuzte Tulpe und Lilie an. Samrai nahm ein kleines Stück blaues Papier aus seiner Ledertasche, faltete es zusammen und murmelte Beschwörungen darüber. Dann legte er mir das Papier in die Hand und schloss meine Finger darum.
»Du nehmen Hand an Stirn und sagen: glücklich, glücklich.«
Ich tat ihm den Gefallen und gab ihm den Zettel zurück. Der Wahrsager holte ein Foto aus seiner Tasche und legte es auf den Tisch. Auf dem Foto war eine Gruppe nackter Papua-Männer zu sehen. Alle trugen große Penisfutterale. Das Bild tat seine Wirkung. Man musste einfach hinstarren. Samrai gab mir einen blauen gefalteten Zettel und zwinkerte mir zu.
»Aufmachen und staunen.«
Lustlos entfalte ich das Papier, auf dem jetzt natürlich die beiden Blumennamen standen: Tulpe, Lilie.
»Ja und? Was ist jetzt damit bewiesen?«
Er behauptete, das beweise, das meine jetzige Liebe glücklich würde. Sie war nämlich bedroht, weil eine andere Frau hinter meinem Mann her war. Mein Mann wollte aber lieber mich.
Als Nächstes versuchte Samrai, mir einen Glücksbringer anzudrehen. Es handelte sich um eine kleine schwarze Platte, auf der ein rötlicher Klumpen mit einem Loch darin klebte. Er musste ihn selbst aus Fimo-Knetmasse gebastelt und im Ofen gebrannt haben. Ich hob abwehrend die Hände.
»Nur zehn Mark«, klagte der
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