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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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steigen ein und sind betrunken, und der eine fragt dich, ob du ihm nicht einen lutschen willst. Und der andere greift in deine Haare und sagt: »Dreh dich doch mal um. Lass dich doch mal ansehen.« Und dann sagst du, dass hier jetzt schon wieder Endstation ist und sie aussteigen müssen, aber hopphopp! Und kaum sind sie draußen, steigt schon der nächste ein, ein bulliger Zwei-Meter-Kerl mit blauviolettem Gesicht und zugeschwollenem Auge, und er sagt: »Fahr mich zur Segeberger Chaussee, aber mach ja keinen Umweg. Ist das klar? Ich kann das nicht leiden, wenn Taxifahrer mich bescheißen wollen.«
    Ständig musst du emotionale Vollbremsungen machen, um gleich darauf in eine völlig andere Richtung zu galoppieren. Und wieder Vollbremsung und wieder woandershin. Ich glaube, in den ersten zwei Monaten nahm ich ungefähr zehn Kilo ab. Und ich musste einfach ständig erzählen. Das musste raus. Ich quasselte und quasselte. Manchmal konnte ich mich nicht beherrschen und redete sogar auf meinen Bruder oder meine armen Eltern ein.
    »Oh, bitte, Alexandra«, sagte meine Mutter dann unglücklich, »bitte nicht wieder eine von deinen schrecklichen Taxi-Geschichten.«
    Aber etwas anderes hatte ich nun mal nicht zu bieten.
    Am geduldigsten von allen hörte Dietrich zu.
    »Die Fahrgäste sind alle Schweine«, sagte er, »richtige Dreckhecken.«
    Udo-Zwonullfünf und Rüdiger stimmten sofort zu. Fahrgäste waren Feinde, die verachtet werden mussten. Das Letzte.
    »Ich frag mich manchmal, ob die Leute sich überhaupt noch trauen würden, Taxi zu fahren, wenn sie wüssten, was Taxifahrer von ihnen halten«, sagte Dietrich.
9
    »Oh, Mann, das hätte ich nicht gedacht, dass das tatsächlich passiert«, sagte Dietrich, nachdem er mich geküsst hatte. Er schaute mich lange an. Ich kannte solche Blicke. Mir war schon klar, dass ich ziemlich gut aussah. Und Dietrich kaute auf diesem Köder bereitwillig herum und konnte sein Glück kaum fassen.
    Er hatte mich gefragt, ob ich einen Film, ob ich Badlands mit ihm im Fernsehen anschauen wollte.
    »Ein sehr guter Film. Der fängt um Viertel nach acht an und geht bis kurz vor zehn. In der Zeit ist doch sowieso kaum was los, da kannst du ruhig mal Pause machen. Wenn die Musikhalle aus ist, bist du wieder auf der Straße.«
    Da hatte er recht. Also hatte ich ja gesagt, und in dem Moment war für mich auch klar gewesen, dass wir uns küssen würden. Dabei mochte ich Dietrich gar nicht besonders. Obwohl ich inzwischen sein richtiges Alter kannte, hielt ich ihn immer noch für zu alt. Achtundzwanzig, das war ja fast schon dreißig. Mit den Jungen, mit denen ich bisher zu tun gehabt hatte, hatte er nichts gemein, und ich fühlte mich in seiner Gegenwart unbehaglich. Ich hatte trotzdem zugesagt, weil ich fand, dass ich so schnell wie möglich wieder jemanden küssen sollte. Das letzte Mal war jetzt schon über ein Jahr her. Die ganze Zeit, während der ich in der Versicherung gearbeitet hatte, war nichts gelaufen. Diese Versicherungspolicen hatten mich richtiggehend gelähmt. Einmal nicht aufgepasst, den falschen Beruf gewählt, und schon hatte ich das Leben eines Mauerblümchens geführt. Aber das hier war ein Anfang. Jetzt musste ich einfach bloß wieder in den alten Trott kommen.
    Kurz vor acht hatte ich bei Dietrich geklingelt. Draußen war es noch hell gewesen, aber in seiner Hinterhofwohnung waren sämtliche Jalousien heruntergelassen. Es hatte abgestanden gerochen, wie bei alten Leuten. Als sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah ich, dass seine Wohnung aus einem einzigen großen Raum bestand. Eine acht Meter lange und drei Meter hohe Wandseite war vom Boden bis zur Decke mit Regalen zugestellt. Alle voller Bücher.
    »Das war früher mal eine Werkstatt«, sagte Dietrich. »Da hinten ist natürlich noch ein abgetrenntes Klo.«
    Er hatte aufgeräumt, aber trotzdem wirkte die Wohnung schmuddelig, besonders an den Wänden, und die besonders um die Lichtschalter herum. Dietrich selbst trug ein blütenweißes Hemd und hatte seine Haare nass nach hinten gekämmt. Wir setzten uns auf die einzige Sitzgelegenheit, eine Matratze, auf der muffelige Bettwäsche lag, und als der Film zu Ende war, küsste Dietrich mich. Normalerweise fand ich es aufregend, wenn ich jemanden zum ersten Mal küsste. Vielleicht war ich mir meiner Sache diesmal einfach zu sicher gewesen. Ich küsste höflicherweise noch bis Viertel nach zehn weiter, damit es so aussah, als fiele es mir schwer zu gehen. Aber dann

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