Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
fanden sich; für eine Sekunde, für eine Stunde, sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie jetzt in Sicherheit war. Eh sie sich daran erinnern konnte, überhaupt aufgestanden zu sein, fand sie sich in seinen Armen wieder. Es gab keinen Kuss, keine Worte, nur ihre Arme umeinander und ein schwerer Herzschlag. Sie wusste nicht, ob es seiner oder ihrer war, aber er brachte sie zu ihrer Mitte zurück, erdete sie. Sie drückte ihn ganz fest. Als sie sich umdrehte, sah sie den Ausdruck auf den Gesichtern der Kollegen und merkte, dass die sich wunderten.
„Das ist Dr. John Baldwin. FBI. Er ist …“ Sie warf ihm über ihre Schulter einen Blick zu.
„Ich bin wegen Taylor hier.“ Mit zwei Schritten war er im Raum, zog Taylors Stuhl zurecht, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und setzte sich dann neben sie. Er nahm ihre Hand und hielt sie mit seinen beiden Händen fest. Mit einer Kopfbewegung wandte er sich an Eldridge.
„Bitte, fahren Sie fort. Was wollten Sie gerade sagen?“
Eldridge setzte an, Baldwin an Taylor vorbei die Hand auszustrecken, dann hielt er inne, als ihm auffiel, dass Baldwin sie nicht nehmen würde. Denn dazu müsste er Taylors Hand loslassen. Stattdessen legte er also seinen Zeigefinger an die Oberlippe und tippte leise dagegen.
„Ich wollte nicht sagen, dass wir Ihnen nicht glauben, Lieutenant. Sie sind an einen verdammt bösen Buben geraten und konnten ihm entkommen. Das passiert normalerweise nicht. Nicht bei dem Mann, mit dem wir es hier zu tun haben.“
„Sie wissen, wer dahintersteckt?“
„Ich habe zumindest eine ziemlich gute Ahnung.“
Taylor war erschöpft und kurz vorm Verhungern. Sie wollte einfach nur zu Hause auf der Couch zusammenbrechen und eine Woche durchschlafen, aber das konnte sie nicht. Noch nicht. Vorher musste sie noch ihre Arbeit tun. Sie beschlossen, auf die andere Straßenseite umzuziehen, damit sie etwas zu essen bekam, und ihre Unterhaltung dann fortzusetzen. Baldwin hatte ihr eine Tasche mit ihren eigenen Sachen mitgebracht. Sie nahm sich einen Pullover und eine Jeans heraus, ihre Lieblingsstiefel und den Kulturbeutel. Bevor sie gingen, zog sie sich um, putzte sich die Zähne und kämmte ihre Haare. Endlich fühlte sie sich wieder halbwegs wie ein Mensch. Neue Energie durchflutete ihren Körper.
Die Bar gegenüber vom Revier an der 108th versteckte sich in einem kleinen Reihenhaus, das rechts und links von identischen Häusern flankiert wurde. Nur die blau-weiß gestrichene Eingangstür und ein kleines Neonschild mit der Aufschrift „Dog Pound“ machten es als Bar kenntlich.
Baldwin hielt Taylor die Tür auf, und zu den Klängen von Frank Sinatra traten sie ein. Frank sang etwas über die Art, wie sie heute Abend aussah. Taylor war einfach nur glücklich, im Warmen zu sein, und die Aussicht auf etwas zu essen machte sie beinahe euphorisch. Trotz der universellen Ähnlichkeiten aller Polizeireviere fühlte sie sich hier noch mehr zu Hause.
Der lange Mahagonitresen glänzte wie frisch poliert. Bistrotische waren entlang der gegenüberliegenden Wand aufgestellt. Ein paar weißhaarige Männer saßen am anderen Ende der Bar zusammen. Sie kümmerten sich nicht um die Neuankömmlinge und setzten ihre Unterhaltung fort, ohne sich nur einmal umzudrehen.
Baldwin deutete auf einen der Tische an der Wand. Sie setzten sich, und der Barkeeper kam mit einem müden Lächeln zu ihnen.
Sie bestellten Guinness und die Speisekarte, dann lehnten sie sich zurück und verloren sich in den Augen des anderen. Baldwin schaute sie hungrig an, als ob er sie bei der kleinsten Bewegung mit einem Haps verschlingen würde. Sie fühlte sich von seinem Blick geradezu aufgespießt und wusste nicht, was sie sagen sollte. Eine Kellnerin brachte ihnen ihre Biere und ließ sie dann wieder in ihrem Schweigen versinken.
„Baldwin“, setzte Taylor an, aber in dem Moment kam die Gruppe aus dem Revier herein und unterbrach sie. Sie gesellten sich zu ihnen, gut gelaunt und voller Hoffnung.
Callahan nahm sich den Stuhl neben Taylor. Als Frankie-Boy ein neues Lied anstimmte, dieses Mal „Luck be a Lady“, beugte Callahan sich verschwörerisch vor.
„Nur zur Info, der Besitzer ist von Sinatra besessen. Hier werden Sie heute Abend keine andere Musik zu hören bekommen. Eigentlich an keinem Abend. Das ist ein ehernes Gesetz.“
„Ist das Ihr Ernst?“
„So ernst wie ein Herzanfall. Sie können gerne einen Blick auf die Jukebox werfen. Ihre Auswahl beschränkt sich ausschließlich auf
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