Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
Computer in einem leeren Zimmer, das ist das Büro von dem Mann.“
„Wie heißt er?“
„Oh nein, das kann ich nicht sagen. Ich will nicht in Tod gehen.“
„Saraya, wie bist du hier in den Park gekommen?“
Bei dieser Frage blitzte Panik in den Augen des Mädchens auf. „Ich bin weggelaufen. Ich dachte, ist besser, tot zu sein.“
Seltsam, dachte Taylor auf der Rückfahrt ins Büro. Sie hatte die Geschichte des Mädchens nicht eine Sekunde lang angezweifelt. War sie schon so immun gegen Tod und Zerstörung, gegen das Böse, das in den Seelen der Menschen wohnte, dass sie darauf programmiert war, einem Opfer zu glauben? Sie wusste, dass das nicht der Fall war. Ihr Bullshit-Detektor hatte einen Radius von einer Meile. Menschen gaben aus den verschiedensten Gründen an, Opfer geworden zu sein. Taylor war ziemlich gut darin, zu unterscheiden, wer log und wer die Wahrheit erzählte. Sie war zwar auch schon mal hinters Licht geführt worden, aber nicht oft.
Saraya Gonzales war kein Opfer des Schneewittchenmörders. Diese Erkenntnis verschaffte ihr eine kurze Atempause. Sie war so in den Schneewittchenfall vertieft gewesen, dass viele ihrer anderen Fälle momentan auf Eis lagen. Verdammt, sie musste diese Morde endlich lösen, damit sie wieder ihren Job machen konnte. Es gab Menschen in dieser Stadt, die ihre Hilfe benötigten. Gib mir deine Armen, deine Schwachen, deine Geknechteten, ich werde für sie kämpfen. Das war das, was sie tun wollte. Und es war genau die Sache, die ihr Vater niemals verstehen würde.
Da war er wieder, dieser verdammte Geruch in ihrer Nase. Wieso konnte Win Jackson sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie versuchte, die Erinnerungen abzuschütteln, aber ihr Geruchssinn trotzte diesem Versuch und ließ ihre Zweifel an die Oberfläche schweben, als wenn sie noch ein kleines Mädchen wäre, verletzlich und schwach, nicht in der Lage, die Liebe ihres Vaters für sich zu gewinnen. Sie hatte seit drei Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Zu dem Zeitpunkt stand sie kurz davor, zum Lieutenant befördert zu werden. Sie hatten sich immer gestritten. Taylor hatte wenig Verständnis für Wins Neigung, Abkürzungen zu nehmen, um an die Spitze zu kommen. Ihn wiederum wurmte es mächtig, dass seine Tochter ein Cop war. Aber die letzte Unterhaltung zwischen ihnen war besonders unangenehm gewesen. Taylor hatte die Nase voll gehabt und hatte ihm gesagt, er solle sich seinen Treuhandfonds für sie sonst wohin stecken.
Sie wusste, dass er nicht tot war. Das spürte sie. So entfremdet sie und ihre Familie inzwischen waren, wusste sie doch trotzdem, dass er irgendwo da draußen war. Sie würde es fühlen, wenn dem nicht so wäre. Oder etwa nicht?
Zumindest musste sie sich keine Gedanken darum machen, ihn zu bitten, sie zum Altar zu führen.
Sie riss ihre Gedanken von den Erinnerungen fort und widmete sich wieder entschlossen der Gegenwart. Sie hatte ein anderes Rätsel zu lösen, und zumindest das war definitiv noch lebendig.
Taylor erschauderte. Sarayas Geschichte zu hören, ihre zarte, akzentbeladene Stimme, die so sanft, so gequält über die Grausamkeiten sprach – sie hatte nicht den geringsten Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit. Sie fragte sich, ob es besser gewesen wäre, zu sterben als so schrecklich misshandelt zu werden, und sie verstand den verzweifelten Versuch der Kleinen, zu fliehen. Doch Saraya war zu schwach gewesen, um weit zu kommen. Der Massagetempel musste sich also in einer Entfernung von maximal einem Tagesmarsch befinden. Aber sie hatte dichtgemacht und sich geweigert, weitere Fragen zu beantworten. Taylor hatte Bunch ein Zeichen gegeben, das Mädchen ins Krankenhaus zu bringen. Ein warmes, sicheres Bett und ein wenig liebevolle Versorgung mochten vielleicht seine Zunge lösen. Das hoffte sie zumindest.
Als sie sich dem CJC näherte, wurde der Verkehr dichter. Taylor spürte es beinahe greifbar in der Luft liegen. Irgendetwas passierte. Sie kroch die Straße entlang und kam endlich an die Ecke, wo sie auf die Third Street abbiegen konnte. Übertragungswagen säumten den Gehweg. Satelliten erhoben sich über den Dächern der Vans, Menschen liefen herum und blockierten die Zufahrt zum Parkplatz.
Taylor widerstand dem Drang, ihre Waffe zu zücken und in die Luft zu schießen, um den Weg frei zu machen. Stattdessen holte sie das Warnlicht unter dem Beifahrersitz hervor, kurbelte das Fenster ihres Zivilfahrzeuges herunter und hielt das Licht nach draußen. Sie stellte es an und
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